Schon der französische Philosoph Jean Jaques Rousseaux wusste, dass das Geld, das man besitzt, das Mittel zur Freiheit ist, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft.
Über 200 Jahre später stehen viele Jungunternehmer vor demselben Problem, dass Sie in Ihrem Streben nach unternehmerischer Freiheit und Unabhängigkeit auf Kapital angewiesen sind. Auch vor diesem Hintergrund ist Crowdinvesting ins Visier der Medien gerückt.
So hat das Bundeskabinett die „Digitale Agenda“ beschlossen. Darin heißt es unter anderem, dass die junge digitale Wirtschaft durch die „Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für Start-ups durch international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Wagniskapital und Crowdinvestments“ unterstützt werden soll. Dies zielt insbesondere auch auf die Unterstützung von Crowdinvestments ab.
Was aber versteht man unter Crowdinvesting überhaupt? Und wie kann ich als Unternehmensgründer diese Finanzierungsform sinnvoll nutzen?
Crowdinvesting ist eine Form der Geldanlage. Es ermöglicht einer Vielzahl von nicht miteinander verbundenen Privatinvestoren über das Internet die direkte Beteiligung an Unternehmen. In Deutschland gibt es diese Finanzierungsform seit 2011. Um die beiden Parteien zusammenzuführen, treten Plattformen als Vermittler auf, indem sie die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen.
Diese Art der Finanzierung ist in den letzten Jahren sehr viel verbreiteter geworden und hat großen Anklang gefunden. So werden im Jahr 2014 per Crowdinvesting geschätze 25 Millionen Euro in mehr als 90 Start-ups investiert und damit sechsmal soviel wie im Jahr 2012.
Crowdinvesting liegt dann vor, wenn die Geldgeber im Gegenzug für ihre Investition am Unternehmen oder zumindest an seinen Gewinnen beteiligt werden. Üblicherweise sind drei Parteien beteiligt: das kapitalsuchende Unternehmen, die potentiellen Geldgeber und die Vermittlungsplattform. Die Geldgeber treten in großer Zahl auf und können sich schon mit geringen Summen partizipieren. Die Beteiligung der Investoren kann dabei in unterschiedlicher Art ausgestaltet sein. So kommen eine Gewinnbeteiligung, eine Exit-Beteiligung und eine Unternehmenswert-Beteiligung in Betracht.
Aktuell dürfte die Vermittlung von sogenannten partiarischen Darlehen mit qualifizierter Rangrücktrittsklausel über Crowdinvesting-Plattformen die am weitesten verbreitete Variante darstellen. Diese Form hat gegenüber der sogenannten stillen Beteiligung den Vorteil, dass keine Prospekt- und Vorlagepflicht bei der Aufsichtsbehörde für Banken und Finanzdienstleister (Bafin) erforderlich ist.
Mittlerweile existieren mehr als 20 deutsche Online-Plattformen, die Crowdinvesting anbieten. Zu den bekanntesten Plattformen gehören beispielsweise Companisto oder Seedmatch. Bei den diversen Plattformen können sich Anbieter bereits mit geringen Beiträgen (bei den meisten Plattformen bereits ab 50,– Euro) an jungen Unternehmen in der Wachstumsphase beteiligen.
Zu unterscheiden ist Crowdinvesting von Crowdfunding. Bei dieser Art der Finanzierung erhält der Investor keine monetäre Gegenleistung. Hier können „treue Fans“ Projekte finanzieren und treten dabei als Geldgeber auf. Somit kann man beim Crowdinvesting von dem Crowdfunding für Start-ups sprechen.
Im Detail funktioniert Crowdinvesting für Start-ups folgendermaßen:
A. Zunächst nimmt das Start-up Unternehmen mit den Crowdinvesting-Plattformen Kontakt auf, um sich über die unterschiedlichen Arten einen Überblick zu verschaffen und sich für eine geeignete Plattform zu entscheiden.
B. Wurde eine Plattform ausgewählt, liegt es erstmal an der ausgewählten Plattform, die Unterlagen des Unternehmens im Detail zu prüfen. Es wird eine sogenannte Due Diligence vorgenommen und dabei stehen insbesondere das Geschäftsmodell, der Businessplan und die Finanzzahlen im Vordergrund. Anschließend werden Verträge zwischen dem Start-up Unternehmen und der Plattform abgeschlossen.
C. Anschließend erhält das Start-up Unternehmen die Möglichkeit, sich auf der Plattform durch ein eigenes Investmentprofil vorzustellen, um den zukünftigen Investoren ein wahrheitsgetreues Bild zu liefern.
D. Dann erst beginnt die eigentliche Investmentphase, in der sich die einzelnen Investoren in den zuvor genannten Formen an dem Start-up beteiligen können. Die Länge der Investmentphase hängt von den einzelnen Plattformen und deren Bedingungen ab. In dieser Phase empfiehlt es sich, das Investment im Rahmen einer PR zu begleiten.
E. Nach der Investmentphase findet die vertragliche Abwicklung mit den einzelnen Investoren statt, vorausgesetzt, das Crowdinvesting war erfolgreich. Die neuen Anteilseigner erhalten entsprechende Beteiligungsverträge und bekommen das Kapital ausbezahlt. In Folge verlangen die neuen Anteilseigner häufig auch Status-Berichte über wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens und einen Austausch mit neuen Investoren.
Ein entscheidender Vorteil des Crowdinvestings liegt sicherlich darin, dass es für Unternehmen, für die es schwierig ist, an eine Finanzierungsquelle, sprich ein Darlehen zu bekommen oder in sonstiger Weise an Kapital zu kommen, dennoch ein neuer Weg für Kapitalbeschaffung eröffnet wird. Vorausgesetzt, dass die Crowdinvesting-Plattform kein bestimmtes Rating des Start-up Unternehmens voraussetzt.
Darüber hinaus ist eine Sicherheitsleistung des kreditnehmenden Unternehmens beim Crowdinvesting nicht erforderlich, was für junge Start-ups besonders reizvoll ist, da sie meinst zunächst über keinerlei Kapital verfügen, die als Sicherheit für einen etwaigen Kredit dienen könnte.
Auch die mit dem Crowdinvesting einhergehenden Begleiteffekte sind nicht zu vernachlässigen. Hierzu gehören insbesondere die Marketing- und Vertriebseffekte, die sich bei der PR-Arbeit im Rahmen der Vorstellung auf den einzelnen Plattformen einstellen können.
Die Vorteile für Kleinanleger liegen auf der Hand. So bietet das Crowdinvesting eine Möglichkeit, sich an einem Start-up auch dann beteiligen zu können, wenn man selbst über wenig Kapital verfügt. So ist eine Beteiligung bei einigen Plattformen bereits ab einer Summe von 50,– Euro möglich. Ebenso ist die vergleichsweise einfache Handhabung dieser Finanzierungsart für viele Anleger sehr reizvoll.
Schließlich ist auch zu beachten, dass durch die Nutzung von Plattformen, in denen sich die Start-ups vorstellen können, eine einzigartige Möglichkeit eröffnet wird, sich zwischen zahlreichen verschiedenen Unternehmen entscheiden zu können.
Bei allen Vorteilen, die ein Crowdinvesting mit sich bringt, birgt es auch einige Gefahren für die Start-ups. So ist dies erst kürzlich deutlich geworden.
In der Wirtschaftswoche hat sich ein Crowdinvestor über Start-ups Luft verschafft und von seinen persönlichen, im konkreten Fall wohl negativen Erfahrungen berichtet. Hierbei hat er jedoch nicht nur sachlich seine Erkenntnisse und Erfahrungen wiedergegeben, sondern auch vertrauliche Informationen über die Seedmatch-Start-ups LifeAction und Bloomy Days preisgegeben, die sich unter Umständen auch berufsschädigend sowohl für die betreffenden Start-ups als auch für die Plattform auswirken können.
Auch ist nicht zu vernachlässigen, dass jedes Crowdinvesting mit erheblichen vertraglichen Verpflichtungen verbunden ist. So werden zunächst Verträge mit den Plattformen geschlossen und anschließend mit den kapitalgebenden Anlegern. Diesen vertraglichen Beziehungen liegen sowohl ausdrückliche als auch konkludente (ungeschriebene) Verpflichtungen zugrunde, die einzuhalten sind, da die Start-ups sonst Schadensersatzansprüchen ausgesetzt werden könnten.
Die Idee einer unkomplizierten Kapitalbeteiligung für Verbraucher ist in Zeiten niedriger Zinsen sicherlich sehr reizvoll. Jedoch sind die wenigsten Verbraucher mit den Risiken des Crowdinvesting vertraut. Das liegt auch daran, dass die Verbraucher auf die tatsächlichen Risiken häufig nicht hingewiesen werden.
Bei einer Untersuchung haben Verbraucherschützer fünf Plattformen genauer untersucht und sich mit den Risikohinweisen beschäftigt. Das Ergebnis dieser Untersuchung war für die Verbraucher nicht besonders erfreulich. So enthielten lediglich zwei von fünf Anbietern einen Risiko-Hinweis. Zwei weitere Plattformen wiesen lediglich im FAQ, in Download-Dokumenten oder in den Allgemeinen Bedingungen auf Risiken hin. Lediglich eine Plattform deutete auf jeder einzelnen Seite auf die Risiken hin.
Dass das geplante Ziel der Agenda nur wenig mit der Realität zu tun hat, beweist der Referentenentwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes. Zwar soll das verfolgte Ziel insbesondere Crowdinvestings unterstützen, doch bleibt erst abzuwarten, ob dies tatsächlich auch erreicht wird. Der Referentenentwurf des Kleinanlegergesetzes sieht nämlich folgendes vor:
A. Vermögensanlagen dürfen nicht ohne ein Prospekt, den die BaFin gebilligt hat, öffentlich angeboten werden. Die Kosten für ein solches Prospekt können gut und gerne die 50.000 Euro Grenze überschreiten.
B. Wird im Rahmen des Crowdinvestings weniger als eine Million gesammelt und beteiligen sich die Investoren mit maximal 10.000 Euro an einem Projekt, so entfällt die Prospektpflicht.
C. Für ein Projekt, das die eine Millionen Grenze nicht überschreitet, muss kein Prospekt erstellt werden, sondern lediglich ein Infoblatt, welches alle Angaben und Risiken darlegt und bei der BaFin hinterlegt wird.
D. Beteiligt sich ein Anleger im Rahmen des Crowdinvestings mit mehr als 250 Euro, muss er ein Formular ausdrucken, eigenhändig unterschreiben und an den Anbieter schicken.
E. Schließlich müssen sich die Crowdinvesting-Plattformen offiziell registrieren lassen, z.B. beim Gewerbeamt.
Gerade die vorletzte Neuerung wird von vielen als erheblichen Rückschritt im digitalen Zeitalter angesehen. Denn die vormals so einfache Form der Finanzierung muss nun der Bürokratie weichen. Davon werden sich sicherlich einige Kleinanleger abschrecken lassen und von der geplanten Finanzierung Abstand nehmen. Ob dies tatsächlich dem besagten Ziel der Digitalen Agenda dienlich ist, Start-up Unternehmen zu unterstützen, bleibt offen. Umgekehrt ist eine sichere Rechtsgrundlage auch wieder Voraussetzung, dass mehr Kleinanleger als bisher, diese Form der Risikokapitalbeteiligung nutzen.
Crowdinvesting sollte nicht nur als die einzige Möglichkeit der Finanzierung von Start-ups in Erwägung gezogen werden, sondern als eine Ergänzung anderweitiger Finanzierungsmöglichkeiten, da ein Erfolg nicht verbindlich vorausgesagt werden kann, sondern vielmehr von der Meinung der Inverstoren abhängt.
Um möglichen Schwierigkeiten bei der Anschlussfinanzierbarkeit bereits frühzeitig entgegenzuwirken, ist es sehr wichtig, dass sich das Start-up Unternehmen für ein für ihn richtiges Beteiligungsmodell entscheidet.
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei auch, ob und gegebenenfalls welche Mitwirkungs- und Informationsrechte der Crowd eingeräumt werden. Hierüber sollte sich jedes Unternehmen vorab informieren, bevor es eine derartige Finanzierung anstrebt.
Bevor Anleger ihr Geld in Start-ups investieren, sollten Sie sich sehr kritisch mit den Profilen der Unternehmen auseinandersetzen und diese stets kritisch hinterfragen und auch nachprüfen, da im schlimmsten Fall der Verlust des Kapitals droht.
Verbraucher sollten sich daher auch ohne einen expliziten Hinweis mit den Gefahren des Crowdinvesting beschäftigen und sich diese vor einer tatsächlichen Investition vor Augen führen.
Mit der geplanten Agenda wird sich dieses Problem teilweise relativieren, da entweder ein Prospekt oder ein Infoblatt mit dem Hinweis auf etwaige Risiken gesetzlich verlangt wird.
Dennoch sollten sich potenzielle Anleger nicht blind auf die Auskünfte verlassen, denn Fehler sind nicht immer zu vermeiden. Vielmehr sollten sie eine kritische Überprüfung stets auch selbst vornehmen. Denn sie sollten sich bewusst sein, dass es jederzeit zum Totalverlust des Kapitals kommen kann.
Vor jeder Finanzierung sollte sich ein Anleger fragen:
Veröffentlicht am 20.02.2015 von Marc Laukemann.
Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann, Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte (www.lfr-wirtschaftsanwaelte.de) ist Fachanwalt für Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz. Er berät seit über 15 Jahren sowohl Online-Unternehmen wie auch Kapitalanleger.
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