Inklusiver Sprachgebrauch ist schon lange mehr als ein Randgruppenthema und auch die Suchmaschinenrankings Deiner Website können von Binnen-I, Genderstern und Doppelpunkt völlig unterschiedlich beeinflusst werden. Aus SEO-Sicht ist es somit wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Immer mehr Unternehmen legen Wert darauf, auf ihren Websites und Social-Media-Profilen inklusive, geschlechtsneutrale Sprache zu verwenden. In Jobausschreibungen ist diese sogar gesetzlich vorgeschrieben.
Während es noch relativ einfach fallen mag, inklusive Sprache in Fließtexten umzusetzen, gilt es aus der SEO-Perspektive eine Vielzahl von Faktoren zu beachten, auf die sich die Gendermethoden auf verschiedenste Weise auswirken. Menschen aller Geschlechter, die ihre Dienstleistungen online anbieten, stellt das Thema oftmals sogar vor eine Grundsatzfrage. Und auch die deutsche Grammatik macht es nicht immer ganz einfach, die optimale Formulierung zu finden.
Fest steht: Der Umgang mit gendergerechter Sprache auf Websites muss im Einzelfall gut überlegt sein. In diesem Beitrag erfährst Du, wie Google mit verschiedenen Formen der gendergerechten Sprache umgeht und was Du bei der Suchmaschinenoptimierung beachten solltest.
Klären wir zuerst die Frage, was genderinklusive Sprache überhaupt ist, und warum Du über dieses Thema nachdenken solltest.
Der Theorie des Sozialkonstruktivismus zufolge beeinflusst unsere Sprache unser Denken und letztlich unser Handeln. Daher rühren auch die Bemühungen für einen inklusiveren, respektvolleren Sprachgebrauch, der alle Menschen bzw. Geschlechter einschließt. Noch betrachtet die Mehrheit der Bevölkerung das Thema als unwichtig, doch es gewinnt jährlich größere Zustimmung und in manchen Branchen ist es gar nicht mehr wegzudenken. Doch was qualifiziert sich überhaupt als inklusive Sprache?
Als das Thema gendergerechte Sprache erstmals öffentlich diskutiert wurde, bezog sich der Diskurs hauptsächlich auf die Inklusion von Frauen, die – so das Argument der Sozialkonstruktivist:innen – durch die vorwiegende Nutzung von männlichen Nomen nicht ausreichend sprachlich repräsentiert würden. Mittlerweile ist das Thema komplexer geworden, da auch das „dritte Geschlecht“ (vom deutschen Innenministerium 2018 offiziell als Option für Dokumente eingeführt) zunehmend Eingang in den gendergerechten Sprachgebrauch findet.
Frühe Formen wie das Binnen-I stoßen deswegen sogar zum Teil auf Ablehnung, weil sie eben nur die männliche und weibliche Form miteinbeziehen, nicht binäre und transsexuelle Menschen jedoch ausschließen. Formen mit Trennzeichen wie Doppelpunkt, Unterstrich oder Genderstern gelten hingegen für alle Geschlechter als inklusiv. Und wie wir später sehen werden, sind manche diese Gendermethoden auch aus SEO-Sicht dem Binnen-I und anderen binären Formulierungen überlegen.
In der deutschen Sprache wird zwischen dem grammatischen Geschlecht, dem Genus, und dem biologischen Geschlecht, dem Sexus, unterschieden. Das grammatische Geschlecht gibt es in drei Ausprägungen, Femininum (weiblich), Maskulinum (männlich) und Neutrum (sächlich): „Der Sessel“, „die Lampe“ und „das Haus“ sind immer männlich, weiblich oder sächlich und werden nicht gegendert.
Die Diskussion, ob und wie gegendert wird, bezieht sich also ausschließlich auf den Sexus, das biologische Geschlecht, von dem es in der deutschen Sprache ebenfalls drei Varianten gibt: weiblich, wie die Ärztin, männlich, wie der Arzt, und unbestimmt, wie die medizinische Fachkraft.
Genus und Sexus können mal übereinstimmen, mal nicht: So ist „die Frau“ sowohl in Bezug auf das Genus als auch auf den Sexus feminin, während „die Person“ in Bezug auf das Genus feminin ist, in Bezug auf den Sexus jedoch unbestimmt.
Genderinklusive Sprache wird also dann zum Thema, wenn es von einem Begriff mehrere Sexus-Formen gibt, beispielsweise bei der Ansprache eines Publikums, bei Berufsbezeichnungen und bei individuellen Pronomen – auch aus SEO-Sicht. Sehen wir uns nun an, wie sich verschiedene Arten des Genderns auf die Keyword-Optimierung auswirken.
Im Alltag geht es beim Thema gendergerechte Sprache vor allem darum, mit wem oder über wen Du Dich gerade austauschst – zumeist mit dem Ziel, Gesprächspartner:innen gegenüber respektvoll aufzutreten.
Doch in der Suchmaschinenoptimierung ist es letztendlich entscheidend, die richtigen Keywords zu finden und zu nutzen sowie die entsprechenden Landingpages für das Zielpublikum so ansprechend wie möglich zu gestalten. Dazu musst Du zuerst wissen, wie Google überhaupt mit verschiedenen Gendervarianten umgeht.
Machen wir einen initialen Test und fragen wir im Google-Keyword-Planner das Suchvolumen für verschiedene Berufsbezeichnungen in der weiblichen und männlichen Form ab:
Früher hätte der Google-Keyword-Planner dazu tendiert, in der Übersicht zum Suchvolumen die beiden Formen als ein Keyword zusammenzufassen und die Daten gesammelt unter dem Label der männlichen Form zu präsentieren. Das hat sich mittlerweile jedoch geändert und wir erhalten detaillierte Werte für die weiblichen und männlichen Formen:
Die Betrachtung macht eines schnell klar: Die männlichen Formen sind deutlich stärker gefragt. Je nach Branche um das 30- bis 1.400-Fache der weiblichen Form. Auch in den Google-Suchergebnissen liefern die männlichen Formen deutlich mehr Treffer:
Für das Beispiel „Elektrotechnikerin“ findet Google weitaus weniger Ergebnisse und gibt die männliche Version sogar als Korrekturvorschlag aus:
Lese-Tipp: In ihrem Ryte Magazine-Artikel erklärt Johanna Meyer, wie man den Keyword Gender Bias mit Googles Programmatic Search Engine analysiert.
Diese auf den ersten Blick einfachen Erkenntnisse zu Suchvolumen und -ergebnissen haben wichtige Implikationen für SEO.
Das Ganze legt nahe, dass z. B. eine Fotografin, die auf ihrer Website bewusst als Fotografin auftritt, unter Umständen schlechtere Chancen hat, organischen Traffic zu erzielen. Weniger Konkurrenz (weil weniger Suchergebnisse) mag auf den ersten Blick zwar positiv erscheinen, doch in der Regel ist das Suchvolumen für weibliche Formen noch niedriger als der „Bonus“ durch den Konkurrenzvorteil. So spart sich eine „Elektrotechnikerin“ mit der weiblichen Form 85 % der Konkurrenz, aber nach der männlichen Form wird 1.300-mal so oft gesucht.
Weibliche Anbieterinnen aus verschiedensten Bereichen bringt das oft in eine Zwickmühle: besser die eigene Identität kompromittieren oder einen SEO-Nachteil in Kauf nehmen? Ein Lösungsansatz ist eine doppelte Optimierung der Metadaten auf die weibliche und männliche Form, wobei es hinsichtlich des Suchvolumens sinnvoll erscheint, der männlichen Form die stärkere Gewichtung zu geben.
Eine selbstständige Elektrotechnikerin aus Köln könnte das z. B. mit diesem Meta-Title lösen:
Elektrotechniker in Köln gesucht? | Ihre Elektrotechnikerin ...
Ein weiteres Thema ist die Optimierung von Fließtexten innerhalb einer Website, die möglichst inklusiv sein sollen. Hierfür gibt es in der deutschen Sprache mittlerweile viele Lösungsansätze wie Gendersterne, Doppelpunkte, Unterstriche, Schrägstriche und vieles mehr. Suchmaschinen gehen mit jeder dieser Varianten anders um und aus SEO-Sicht gilt es dabei verschiedene Faktoren zu beachten. Sehen wir uns dazu Googles Umgang mit verschiedenen Gendermethoden genauer an.
Grundsätzlich ist es empfehlenswert, innerhalb einer Website bzw. in der gesamten Unternehmenskommunikation auf eine einheitliche Lösung für gendergerechte Sprache zu setzen. Als SEO-Expert:in solltest Du daher in der Lage sein, zu beurteilen, wie sich die unterschiedlichen Lösungen auf das Suchmaschinenranking auswirken können. Machen wir also den nächsten Test und versuchen wir, die Suchdaten für verschiedene Gendermethoden desselben Wortes in Erfahrung zu bringen:
Zuerst erhalten wir eine Fehlermeldung, weil der Stern* ein Google-Suchoperator ist (Platzhalter) und deswegen mit dem Keyword-Planer inkompatibel. Entfernen wir also die Phrase mit dem Genderstern und sehen uns die Ergebnisse für die übrigen Variationen an:
Hier wird klar, dass Google das Binnen-I nicht als Großbuchstaben erkennt (Case-Sensitivity in der Suche lässt sich zwar aktivieren, aber nur die allerwenigsten Nutzer:innen machen das) und „ChirurgInnen“ stattdessen als die weibliche Pluralform von „Chirurgen“ interpretiert. Somit handelt es sich dabei nicht um eine optimale Lösung.
Der Doppelpunkt wird in den Ergebnissen als Leerzeichen ausgegeben und der Unterstrich bleibt als Teil der Suchphrase erhalten. Wie Du wahrscheinlich schon bemerkt hast, sind die Daten im Keyword-Planer nicht besonders hilfreich. Für die Bewertung von Googles Umgang mit verschiedenen Gendermethoden ist es also sinnvoll, einen Blick auf die Suchergebnisse selbst zu werfen.
Eine Suchanfrage für „Chirurg:innen“ mit Doppelpunkt liefert viele Resultate, wobei auf der 1. Seite klar Inhalte mit Genderbezug dominieren:
Für dieselbe Suchanfrage mit Genderstern liefert Google sehr ähnliche Ergebnisse auf der 1. Seite, jedoch nur etwa ein Fünftel der Resultate insgesamt. Der Genderdoppelpunkt erscheint daher als akzeptable (und dem Genderstern aus SEO-Sicht überlegene) Formulierung. Beide Varianten haben den Vorteil, dass sie auch für das dritte Geschlecht als inklusiv gelten.
Ein anderer Lösungsansatz ist, in Fließtexten beide Formen zu verwenden – also z. B. „Chirurginnen und Chirurgen“. Tatsächlich kann es in der Praxis sinnvoll sein, zugleich auf „Chirurgin“ und „Chirurg“ zu optimieren. Für die Ansprache eines Publikums und allgemeine Formulierungen auf einer Website sollte das jedoch möglichst vermieden werden, weil es von bestimmten Zielgruppen als nicht inklusiv aufgefasst werden kann.
Praxis-Tipp: Der Doppelpunkt ist wohl die eleganteste und SEO-freundlichste Methode, Deine Besucher:innen mit inklusiver Sprache anzusprechen!
Wie Du siehst, ist gendergerechte Suchmaschinenoptimierung ein komplexes Thema. Zum Abschluss haben wir die wichtigsten Praxistipps für Dich zusammengefasst:
Der entscheidende Faktor für das Ranking einer Seite ist immer noch ihr Inhalt. Springen Nutzer:innen ab, steigt die Bounce-Rate und das Ranking sinkt. Das Thema Lesefluss solltest Du beim Gendern auf Deiner Website also auf jeden Fall im Auge behalten. Eine gute Lösung ist es, wenn möglich, geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden. So liest sich etwa „Studierende“ einfacher und schneller als „Studentinnen und Studenten“.
Parenthesen, eingeschobene Satzteile, die mit Satzzeichen wie Klammern vom restlichen Satz getrennt werden, stören den Lesefluss besonders und wurden daher in diesem Beitrag a priori ausgeschlossen.
Der Einfluss von Doppelpunkt und Genderstern auf den Lesefluss müsste erst in Studien untersucht und verglichen werden, doch es handelt sich dabei wohl um die elegantesten Gendermethoden, die auch außerhalb der binären Unterscheidung weiblich/männlich als inklusiv gelten. Der Doppelpunkt ist zudem relativ SEO-freundlich und kommt beim Formulieren der Metadaten dem SERP-Pixellimit entgegen.
Bei der Website-Optimierung spielt die Suchintention eine entscheidende Rolle. In der Praxis gilt es für jeden Fall individuell abzuwägen, welche inklusive Sprachlösung die beste Wahl ist. So suchen Google-Nutzer:innen in bestimmten Fällen bewusst nach der weiblichen oder männlichen Form eines Angebots. Wer z. B. nach einer „Frauenärztin“ sucht, möchte vielleicht bewusst eine Gynäkologin finden. Dasselbe gilt auch für viele andere Branchen und sollte bei der Keyword-Optimierung nicht außer Acht gelassen werden.
Während Google in seiner englischsprachigen Dokumentation zumindest geschlechtsspezifische Übersetzungen anspricht, wird das Thema SEO und Gendern im deutschen Sprachraum vom Suchmaschinenriesen momentan noch komplett ausgeblendet. Erfahrene SEO-Expert:innen wissen: Nichts ist für die Ewigkeit, und der Umgang von Googles Suchalgorithmus mit bestimmten Phrasen und Themen kann sich blitzartig ändern. Es gilt also aufmerksam abzuwarten, wie sich der Suchalgorithmus von Google.de hier in Zukunft verhält.
Egal, für welche Lösung für inklusive Sprache Du Dich im Einzelfall entscheidest: Es ist essenziell, die Effekte richtig zu messen!
Wenn Du die Texte und Metadaten einer bestehenden Seite änderst, solltest Du die Entwicklung des Rankings, der Impressions, der Klicks und der CTR in der Search Console regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls weitere Optimierungen vornehmen. In Google Analytics sind neben den Conversions die Bounce-Rate und die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der User:innen die wichtigsten Indikatoren für den Erfolg einer Landingpage. Auch diese Faktoren solltest Du beim Erstellen einer Website mit gendergerechter Sprache genau im Auge behalten.
Letztendlich ist die komplizierte SEO-Welt mit dem Thema inklusive Sprache um ein Kapitel reicher geworden und es wird sich erst zeigen, inwiefern sich klare Standards für Best Practice etablieren. Bis dahin gilt es individuelle Kompromisse zu finden, die sowohl Anbieter:innen, Suchmaschinen und die Zielgruppe zufriedenstellen. Für SEO-Expert:innen bleibt gendergerechte Sprache vorerst also eine spannende Herausforderung, die intensiven Austausch innerhalb der Community erfordert.
Veröffentlicht am Jan 17, 2023 von Johannes Zeller