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Branding and the Brain – Marken (im Internet) und wie sie im Nutzerhirn wirken

Als David Finchers Film “The Social Network” 2010 über die Kinoleinwände flimmerte, fiel darin ein Satz, der wie kein zweiter die Macht verdeutlicht, die eine Marke heutzutage erreichen kann: “Facebook me.”

Das Mädchen im Film sagt nicht “contact me”, nicht “email me”, nicht “call me”. Sie verwendet kein Verb, um zu einer Tätigkeit aufzufordern. Sie verwendet den Namen eines Konzerns. “Facebook me” bedeutet mehr, als nur eine Kontaktaufnahme, nur eine Nachricht. Es transportiert ein Lebensgefühl und einen Status.

Wann immer man heute ins Silicon Valley schaut, Nachrichten liest, die mit der Gründerszene und Startups zu tun haben, liest man von der Suche nach dem nächsten Facebook. Das soziale Netzwerk hat es zu einer so dominanten Stellung gebracht, dass es die Kategorie “soziales Netzwerk” definiert. Und während Marktanalysten und Betriebswirtschaftler nach möglichen Wegen suchen, um diesen Erfolg zu kopieren, das nächste “Facebook” zu bauen, wählt die Neurowissenschaft einen anderen Weg.

Sie schaut den Nutzern ins Gehirn.

Consumer Neuroscience

Consumer Neuroscience heißt die wissenschaftliche Disziplin, die erforscht, wie das menschliche Gehirn auf sämtliche, mit dem Konsumentenleben und -verhalten assoziierten Prozesse reagiert. Wendet man die Erkenntnisse und Methoden der Consumer Neuroscience in der betriebswirtschaftlichen Praxis an, spricht man von Neuromarketing.

Und gerade in Bezug auf starke Marken wie Facebook gibt es einiges zu lernen.

Was zeichnete Facebook aus, lange bevor es ein weltweit agierender Konzern mit Umsätzen in Milliardenhöhe war? Im Kern handelte es sich um eine Webseite mit eingeschränktem Zugriff (auf Einladung) und der Möglichkeit, sich mit anderen zu vernetzen. Status und soziale Verbindungen – zwei der grundlegenden emotionalen Bedürfnisse des Menschen.

Schaut man sich starke Marken an, ganz gleich in welcher Branche, stellt man schnell fest, dass dies ein wiederkehrendes Muster ist. Starke Marken bedienen Grundbedürfnisse. Emotionale Grundbedürfnisse. Vergleicht man starke mit schwachen Marken mittels neurowissenschaftlicher Methoden, vielfach am Beispiel des Vergleichs von Coca Cola mit Pepsi oder anderen Cola-Drinks untersucht, lässt sich dieser Unterschied klar nachweisen. Starke Marken präsentieren sich in emotional aufgeladenen Umfeldern oder sie kreieren emotional aufgeladene Umfelder und schaffen so eine Verknüpfung der Emotion mit dem Markenlogo und –namen.

Beispiele gibt es viele: Red Bull und Baumgartners Sprung aus dem Weltall. Der Happiness Day von Coca Cola. Oder die “Pay with Lovin’” Aktion von McDonalds. Weder der Energydrink, noch die braune Brause, noch die fettigen Burger sind für sich dazu in der Lage, emotionale Grundbedürfnisse zu befriedigen. Aber durch ihre stetige Assoziation mit solchen Aktionen aktivieren sie die menschlichen Emotionsnetzwerke.

Starke Marken berühren uns.

Ein zweiter Effekt, der in der Consumer Neuroscience nachgewiesen wurde, betrifft den sogenannten cognitive load in Bezug auf starke Marken. Man muss sich das wie folgt vorstellen: Das menschliche Gehirn ist in gewisser Weise so etwas wie ein organischer Computer und als solcher darauf angewiesen, ständig mit Energie in Form von beispielsweise Glukose versorgt zu werden. Jede Form mentaler Arbeit kostet Ressourcen und da das Hirn seine jetzige Form zu einer Zeit erlangte, in der Ressourcen noch knapp waren, bedeutete ein “Energiesparmodus” einen echten evolutionären Vorteil.

Heute sprechen wir – wenn dieser Energiesparmodus sehr ausgeprägt ist – von Faulheit.

Das Gehirn versucht zu jedem Zeitpunkt, aufwendige und daher kostspielige Rechenprozesse zu vermeiden und stattdessen mittels sogenannter Heuristiken, also quasi mentaler Abkürzungen möglichst “kostenneutral” Entscheidungen zu treffen. Starke Marken, so konnte nachgewiesen werden, spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Begegnen wir Marken, die wir kennen, die unsere Emotionsnetzwerke ansprechen und mit denen wir in der Vergangenheit gute Erfahrungen machen konnten (oder von anderen meinen zu wissen, dass sie gute Erfahrungen mit ihnen gemacht haben), dann “denkt” unser Hirn nicht mehr länger nach, sondern handelt direkt. Mit starken Marken konfrontiert, kann es zu einer sogenannten “kortikalen Entlastung” kommen, was nichts anderes heißt, als dass Hirnregionen, die für stoffwechselintensive Prozesse verantwortlich sind, in Bezug auf ihre Aktivität herunterreguliert werden. Wir entscheiden dann “aus dem Bauch heraus”, ohne groß (kritisch) zu hinterfragen.

Praxistipp: Was diese Insights fürs Onlinemarketing bedeuten

Wer eine Marke etablieren und in den Köpfen seiner Konsumenten verankern möchte, muss zunächst zwei Dinge tun. Erstens – und das ist die Grundvoraussetzung für alles weitere – er muss seine Marke emotionalisieren. Produkte und Dienstleistungen, auch und gerade im Internet, sind nicht nur technisch oder rein funktional. Sie haben eine emotionale Bedeutung, einen Wert, der sich nicht in Zahlen ausdrücken lässt – von einer Quantifizierung durch neurowissenschaftliche Methoden einmal abgesehen.

Eine Emotionalisierung lässt sich entweder erreichen, indem die Dienstleistung selbst auf einem emotionalen Bedürfnis aufbaut, so wie es beispielsweise Facebook tut, oder durch die starke Assoziation der Marke mit emotionalen Umgebungen. Dies können emotionale Events sein, wie Cokes Happiness Day, oder emotional aufgeladene Anzeigen wie sie beispielsweise Apple nutzt. Wichtig ist: Werbung und Marketingmaßnahmen müssen emotional sein, nur so kommt man ins Herz des Nutzers.

Doch um eine wirklich starke Marke zu werden, braucht es noch eine zweite Zutat: Verlässlichkeit.

Das menschliche Gehirn ist, trotz seines Bestrebens Ressourcen zu sparen, lernfähig bis ins hohe Alter. Es reagiert sehr sensibel auf enttäuschte Erwartungen, gerade dann, wenn es um Emotionen geht. Wer seinen Nutzern einen emotionalen Mehrwert verspricht, diesen dann aber nicht einlöst oder, schlimmer noch, seine Leistungen wie ein Fähnlein im Winde aktuellen Strömungen unterwirft, kann kein stabiles Markenimage aufbauen. Bis heute hat es beispielsweise McDonalds nicht geschafft, sich ein „grünes“ Image zu erarbeiten – trotz bio- und öko-Siegeln, „kontrollierter Anbau“ Kampagne und Salaten im Sortiment.

McDonalds wird auf ewig ein Familienrestaurant bleiben - mit Kidsmenü und Clown. Oder es wird am Versuch, etwas anderes zu werden, zerbrechen.

Zuverlässigkeit und Beständigkeit sind zwei Eigenschaften, die jedes Unternehmen braucht, das es zu wahrer Größe bringen möchte. Nur eine beständige Marke kann eine starke Marke werden.

Die eigentliche Herausforderung liegt dann in der Balance aus Beständigkeit und beständiger Relevanz.

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Veröffentlicht am Apr 20, 2015 von Benny Briesemeister