Ist E-Mail die eierlegende Wollmichsau des Marketings oder einfach nur ätzend?
Mythen und Vorurteile prägen das Bild von einem der ambivalentesten Marketingtools schlechthin. Hier ein paar offene Worte zu diversen Behauptungen.
Richtig: 70 Prozent der Newsletter werden ungelesen gelöscht. Zwanzig Prozent werden sekundenschnell überflogen und nur bei etwa zehn Prozent kann man ernsthaft davon reden, dass so etwas wie „Lesen“ stattfindet. Die Leser meines letzten Newsletters haben immerhin eine Minute und 48 Sekunden ausgehalten.
Falsch: Obwohl die meisten E-Mails gelöscht werden, versenden Unternehmen immer mehr davon. Wir haben von 3056 Unternehmen das Online-Marketing analysiert. Ergebnis: 73 Prozent haben einen auf der Website öffentlich zugänglichen Newsletter. Sieben Prozent haben einen Newsletter, der nicht öffentlich abonnierbar ist und nur an Kunden verschickt wird (email-studie.de).
Falsch: E-Mail ist nur einer von vielen Kanälen, mit denen der Kontakt zu Kunden gehalten wird. Nichts geht über den persönlichen Kontakt im Geschäft oder auf Messen. Nach wie vor funktioniert Print. Und wer in Social Media keine Freunde hat, soll bitte nicht auch noch per E-Mail nerven. Es geht darum, an allen Kontaktpunkten ein positives Erlebnis zu vermitteln. E-Mail ist nur ein Kanal von vielen.
Richtig: Leider ist das die traurige Wahrheit und Ursache allen Übels. Weil es wenig kostet, wird auch wenig Liebe reingesteckt. Am effizientesten ist E-Mail, wenn eine Person möglichst schnell möglichst viele Newsletter produziert. Dass darunter die Marke leidet, stört keinen. Geklickt wird trotzdem.
Falsch: Egal wie schlecht gemacht, ein paar Prozent klicken immer. Und da die Kosten gering sind, rechnet sich das. Vor dem Internet wurden teuere Kataloge und Kundenmagazine verschickt. Heute kann sich jeder Kleinunternehmer über einfache Schablonen einen professionellen Newsletter bauen. Auch ich kann so bequem meine Tipps an 30.000 Empfänger versenden.
Falsch: Auch über E-Mail ist Interaktion möglich. 7,2 Prozent der Empfänger meines letzten Newsletter haben etwas angeklickt. Wer diese Interaktionsrate über andere Kanäle erreichen will, muss viel Aufwand treiben.
Richtig: Zum Leidwesen vieler Empfänger verschicken manche Händler schon zweimal täglich eine E-Mail. Kurzfristig führt das zu mehr Umsatz, langfristig zu Verdrossenheit und Abmeldungen. Nur echte Fans ertragen die E-Mail-Flut. Normale Gelegenheitskäufer löschen nur noch. Bis aber wirklich abbestellt wird, können oft Jahre vergehen.
Falsch: Zwar ist es effektiver, durch hohe Frequenz schnell möglichst viel Umsatz zu machen. Aber dafür hinterlässt es verbrannte Erde: Wer von der E-Mail-Flut die Nase voll hat, muss teuer auf anderen Kanälen zurückgewonnen werden. Wer weniger versendet, erhält sich seine Leser länger.
Falsch: E-Mail ist der Kanal, den die meisten Kunden für Informationen von Unternehmen bevorzugen – vor Brief, Social Web und Telefon. Das belegen unisono drei Studien, die unabhängig voneinander Verbraucher in Großbritannien, Deutschland und den USA befragt haben. Und ganz wichtig: Wer sich als Unternehmen Facebook ausliefert, hat keinen Einfluss darauf, ob und zu welchem Preis seine Nachrichten die Nutzer erreichen. E-Mail dagegen ist ein offenes Kommunikationsprotokoll, das frei genutzt werden kann.
Abbildung 1: E-Mail am beliebtesten in D, GB und USA (Quelle: Horizont 49/2017 Seite 34 - GB -
USA)
Je mehr Unternehmen entdecken, dass der Kanal E-Mail nur dann funktioniert, wenn er richtig bespielt wird, desto besser wird das Niveau der Newsletter.
Daher noch drei Tipps zum professionellen Umgang mit dem Instrument E-Mail:
1. Schreibe nur, wenn es etwas zu sagen gibt. Relevanz ist das Zauberwort guter Newsletter.
2. Du solltest genau messen, was ankommt und was nicht. Wer seine Leser kennt, schreibt interessanter.
3. Hardcore-Fans solltest Du öfter bespielen und dafür normalen Interessenten eher seltener etwas zusenden.
Veröffentlicht am Jan 22, 2018 von Torsten Schwarz