« Zurück zum Magazine

Mach dich „kreativ“: Wie Intelligenz mehr Spaß machen kann

„Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat,“ sagte einer der kreativsten Menschen zu diesem Thema. Und: Recht hat er. Lassen wir die anderen mit langweiligen Zahlen und „wissenschaftlicher“ Verkaufspsychologie herumbasteln! Wir machen uns jetzt kreativ und haben Spaß!

Natürlich sind wir Online Marketer ohnehin kreative Typen. Oder glauben es zumindest - bis dann der Herbst mit Regen, einem ordentlichen Männerschnupfen und vielleicht sogar Liebeskummer der guten Laune und damit der Schaffenskraft den Garaus macht. Dann sitzen wir alle vor dem Rechner und wissen nicht weiter.

Also: Wie bespaßen wir unsere Intelligenz auch dann, wenn die Rahmenbedingungen gerade nicht optimal sind? Wie bereiten wir uns auf den nahenden Winter vor?

Ach, übrigens: Das Zitat oben stammt nicht von Shakespeare, Picasso oder Mozart - sondern von Albert Einstein. Der bedeutendste theoretische Physiker aller Zeiten war gleichzeitig auch einer der kreativsten Menschen der Welt. Denn ohne das eine (Kreativität) hätte er das andere (die Relativitätstheorie) niemals geschafft. Dies als Willkommen für alle Wissenschaftler, Nerds und Fließbandarbeiter, die ihren Job wirklich exzellent machen wollen.

Und noch ein zweites Zitat von Einstein: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Aber jetzt, zur Sache!

1500x800-MachDichKreativ1-2

1. Die Einstellung einstellen

Beginnen wir mit unserer Einstellung zum Thema: „Kreativ sein“, bedeutet etwas zu erschaffen, etwas Neues! Dazu braucht man mindestens zwei Fähigkeiten.

Erstens: Blut, Schweiß, Tränen

Eine Fähigkeit, überhaupt etwas erschaffen zu können ist „Können“. Wenn du dich zum ersten Mal an ein Spiel wie „Battlefield“ setzt, wirst du dieses alles andere als „kreativ“ spielen. Es wird viele Rückschläge und nervige Wiederholungen geben, bis die reine Spieltechnik ins Unterbewusstsein rutscht und der Geist frei spielen kann. Und das gilt für Spieleentwickler noch viel mehr: Diese müssen nicht nur andere Games exzellent beherrschen (und wissen, wann es langweilig oder unmöglich wird) sondern auch mit Grafik, Video, Ton und Storytelling umgehen können. Ja, bevor Pablo Picasso seine größten Kunstwerke mit wenigen Pinselstrichen auf die Leinwand warf, malte er sehr akribisch ziemlich langweilige Bilder.

Deshalb wundere ich mich übrigens, wie viele Autoren und Texter in meinen Seminaren nicht mit zehn Fingern schreiben sondern ihren Content „adlern“. Es mag sich zwar normal anfühlen - aber zum Schreiben braucht man möglichst viel Aufmerksamkeit. Wieso diese daran verschwenden, nach dem „k“ oder dem „j“ auf der Tastatur zu suchen? Dabei dauert es nur wenige Stunden, um die Zehn-Finger-Methode zu lernen.

Also: Beherrsche deine Werkzeuge!

Zweitens: durch die eigenen Augen sehen

Die zweite Herausforderung ist womöglich das Gegenteil von Fleiß: der eigene Kopf! Wir müssen die Welt durch die eigenen Augen sehen und nicht nur mit den Augen der Zielgruppe oder der Kollegen. Denn es geht darum, etwas Neues zu schaffen. Wenn wir nur das tun, was andere wollen, sind wir als „Kreative“ überflüssig.

Und da kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Diese schärft nicht nur alle Sinne sondern lässt ein eigenes Bild im Kopf entstehen. Mit Achtsamkeit sehen wir, wie die Dinge wirklich sind. Und nicht nur, wie die anderen sagen, dass sie seien.

Mit Achtsamkeit meine ich übrigens keinen esoterischen Quatsch sondern einen ruhigen, fokussierten und distanziert positiven Blick auf den eigenen Körper, die eigenen Gedanken und auf die Welt. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Erst müssen wir uns selbst wahrnehmen, dann die Welt. Danach können wir darüber nachdenken, was das eigene Bild der Welt ist.

Fassen wir also einige Punkte zur Einstellung zusammen:

  • Vor dem Spaß steht die Arbeit am Handwerkszeug.

  • Fehlschläge sind (fast) immer nützlich, da sie dich weiterbringen.

  • Kreativität ist erlernbar – aber nicht mal eben nebenher.

  • Die eigene Perspektive ist notwendig (und muss nicht auf Facebook kaputt-diskutiert werden).

  • Genau hinschauen (auch auf sich selbst) ist lohnenswert.

Wer sich damit tiefer beschäftigen will, dem empfehle ich das Buch „Flow: Das Geheimnis des Glücks“ von Mihaly Csikszentmihalyi. Er beschreibt, warum und wie wir in den „Flow“ kommen. Ach ja, Csikszentmihalyi ist Wissenschafter, ein ungarisch-amerikanischer Psychologe. Sehr vertrauenswürdig also.

1500x800-MachDichKreativ4

Zur Sache: die tägliche Vorbereitung

In der Literatur wird zwischen alltäglicher und außergewöhnlicher Kreativität unterschieden. Die eine brauchen für unseren Alltag, beim Dekorieren des Wohnzimmers und beim Formulieren von E-Mails. Hier reden wir allerdings von den meist beruflich gewünschten kreativen Momenten, in denen wir - manchmal auf Knopfdruck - etwas ganz Besonderes erschaffen wollen. Dazu einige Tipps, mit denen es leichter fällt, sich darauf vorzubereiten:

  1. Dopamin rauf: Zunächst sind unsere Handlungen nur ein Spiegel unserer Neurotransmitter. Und da gilt, dass Dopamin unter anderem die Kreativität unterstützt. Wird das antriebssteigernde und motivierende Hormon ausgeschüttet, kann daraus ein wahrer Schaffensdrang werden. Und wie kann man seinen Dopamin-Spiegel heben? Kurz gesagt, kann man es in Tablettenform schlucken viel besser lässt es sich aber selbst produzieren: Kaffe, Sex, Meditation oder Yoga sorgen für einen höheren Dopamin-Spiegel. Drogenkonsum, seelische Belastung und Stress zusammen mit Mangelernährung können zu Dopaminmangel führen. Na dann, viel Spaß!

  2. Adrenalin runter: Wenn der Körper Adrenalin freisetzt, geht das Blut vom Kopf in die Beine („fight or flight“), wird gerinnungsfähiger und die Wahrnehmung schränkt sich ein. Das macht Sinn, wenn man sich einem Säbelzahntiger gegenüber sieht – und genau dafür ist Adrenalin gedacht. Allerdings wird Adrenalin auch bei einem Bungee-Sprung und sogar durch den ganz normalen, täglichen Stress ausgeschüttet. Wer gerade vor einer kreativen Aufgabe steht, sollte auf diesen Kick jedoch verzichten – denn beim Texten kann man nichts mit der erhöhten Gerinnungsfähigkeit des Blutes anfangen – und schon gar nicht mit der Einengung der Wahrnehmung. Will sagen: Stress reduzieren ist eine sehr gute Vorbereitung auf große kreative Momente.

  3. Achtsamkeit: Die Wahrnehmung des eigenen Körpers und Geist geht natürlich nicht von jetzt auf nachher. Dazu bei den Übungen unten mehr. Hier noch ein Gedanke: Kein Online-Marketer hat es wirklich im Griff, alle Ablenkungen auszuschalten. Wer allerdings mit täglichen Übungen seinen „Achtsamkeits-Muskel“ trainiert hat, lernt damit auch, seinen Geist zu fokussieren. Dann ist man nicht mehr so schnell ablenkbar – und absolute Stille oder ein ungestörter Arbeitsplatz ist nicht mehr ganz so notwendig.

  4. Zeit: Ganz allgemein braucht Kreativität Zeit. Natürlich kommt ein genialer Gedanke in nur einem Moment. Aber nun mal nicht so nebenbei in einem ansonsten hektischen Tagesablauf. Also: Zum Aufbau von Können, zum Abbau von Stress und schließlich zum Entwickeln von Gedanken braucht es Zeit. Und diese hat nicht nur die Dimension „Menge“ sondern auch „Qualität“. Ein herbstlicher Spaziergang im Wald bereitet den Körper und Geist auf zukünftige Leistungen besser vor als ein Couch-Potato-Nachmittag. Ja, das ist schade, ich weiß.

  5. Jeder Gedanke ist ein guter Gedanke: Rückschläge sind der direkteste Weg zu einer kreativen Leistung. Deshalb ist es wichtig, von verworfenen oder gar unsinnigen Gedanken NICHT enttäuscht zu sein. Das lässt sich perfekt in der Kommunikation mit Kollegen oder auf Facebook üben: Statt jede eigene Idee mit allen Mitteln zu verteidigen, ist ein schnelles Umschalten auf die Gedanken der anderen ein schweres aber sinnvolles Zwischenziel auf dem Weg zur Kreativität.

Und, noch eines: täglich daran arbeiten! Das historische Bild des wuscheligen, kreativen Künstlers, der bis mittags schläft, bei jedem Termin zu spät ist und für die bürgerlichen Tugenden nur Verachtung übrig hat, ist schlicht falsch. Wie hätte ein Goethe, der nicht nur „Autor“ sondern Familienvater, Wissenschaftler, Politiker, Diplomat, Museumsdirektor und Höfling war, jemals bis Mittag ausschlafen sollen?

1500x800-MachDichKreativ3

Also jetzt täglich: Übungen

Soweit zu den Vorbereitungen. Nun zu den Übungen. Diese sind eine kleine Mischung aus Achtsamkeit-, Schreib- und Gedanken-Experimenten.

  1. Automatisch Schreiben: Das ist die vielleicht einfachste Übung, aus Schreibblockaden und anderen kreativen Sackgassen heraus zu kommen. Die Zutaten: ein Stück Papier, ein Stift und zehn Minuten Zeit. Damit dann schnell und unreflektiert schreiben. Das, was in den Kopf kommt, wird per Stift aufs Papier gebracht – nicht mehr und nicht weniger. Ohne Blick auf die Rechtschreibung, Grammatik oder Sinnhaftigkeit. Das funktioniert. Garantiert!

  2. Journaling / Tagebuch schreiben: Machen das nicht nur pubertierende Mädchen? Nein! Ein Tagebuch ist nicht nur ein guter Freund sondern auch eine gute „Ablage“ für die wirklich wichtigen Gedanken – die wir (noch) nicht mit anderen Menschen teilen wollen. Es gibt ganz unterschiedliche Ideen und Möglichkeiten, ein Tagebuch zu schreiben. Der beste Vorsatz ist jedoch der: täglich. Zumindest in den, sagen wir mal, ersten 30 Tagen ist es wichtig, alle Ausreden und Widerstände zu ignorieren.

  3. Achtsam Fotografieren: In Zeiten von großen Handy-Speichern ist die Übung „A Picture A Day“ irre spannend. Dabei geht es darum, eine Woche lang jeden Tag genau ein (!) Foto zu machen. Vielleicht wird es den Spaß-Level erhöhen, indem verboten wird, dieses Foto auf Facebook zu posten. Aber das soll jeder selbst entscheiden.

  4. Stille hören: Meditiere! Es gibt vermutlich eine Milliarde verschiedener Arten zu meditieren. Eine passt immer. In vielen Fällen ist der Start mit einer „ruhig sitzen“-Meditation vermutlich die beste Idee. Und das geht sehr einfach – wenn man sich zum Beispiel von der 7Mind-App dabei begleiten lässt. Kostet nix und dauert nur sieben Minuten (pro Tag).

  5. Die Rotwein-Meditation: Echt jetzt? Für Nicht-Alkoholiker funktioniert auch die Dusch- oder Nutella-Meditation. Die Idee dahinter ist etwas, das wir eh machen, mal ganz bewusst zu machen. Wie fühlt sich das Weinglas genau an? Was schmeckt im Wein wie? Verändert sich der Geschmack, wenn der Wein warm wird? Und nach dem ersten halben Glas: Wie fühlt es sich an, wenn der Alkohol zu wirken beginnt? Natürlich lässt sich das auch auf das Duschen oder auf ein Toast mit Nutella oder so übertragen. „Einfach“ mal genau hinfühlen. Viel Spaß!

  6. Kreative Schreibübungen: Was wäre wenn? Wenn etwa Pippi Langstrumpf noch leben würde? Wie sähe ihr Facebook-Profil aus? Und wo würde sie überhaupt leben? Das ist eine von vielen kreativen Schreib- oder Gedankenübungen, mir der man sich langweilige Zeiten (etwa in der S-Bahn zur Arbeit) machen kann. Mehr davon hier.

  7. Umfangreiche Kurse zur Achtsamkeit (und damit zur Kreativität) gibt es etwa im Rahmen des MBSR-Programms von Jon Kabat-Zinn. Aber vielleicht reicht auch zuerst ein Buch. Am besten mal bei Amazon danach googeln.

1500x800-MachDichKreativ2

Schließlich: der kreative Moment!

Wer hierher gescrollt hat, um die Abkürzung zu lesen - wird enttäuscht. Denn wenn es wirklich mal stressig ist, draußen ein Bohrhammer hämmert und es nach Regen aussieht, ist der Zeitpunkt vorbei, schnell mal „Kreativität“ zu lernen. Dann ist sie da - oder nicht. Trotzdem ein paar Tipps, die Rahmenbedingungen zu optimieren:

  • Adrenalin runter, Dopamin rauf: Entspannen lässt das Adrenalin sinken. Und wer gerade keine Möglichkeit hat, Sex zu machen, kann sich vielleicht mit einem Kaffen und einem Spaziergang an frischer Luft behelfen.

  • Ruhe: Herkömmliche Ratschläge wie „Mail & Facebook aus“, Ruhe vor den Kollegen oder Homeoffice – sind richtig. Mehr muss man dazu nicht sagen.

  • Zeit: Kreativität braucht Zeit. Immer. Sie entsteht nicht auf Knopfdruck sondern erst, wenn man im Flow ist. Also: Lieber 50 Prozent mehr Zeit einplanen. Egal, von wieviel.

  • Der Start: Ein guter Start für ein kreatives Projekt ist fast immer eine MindMap. Andere schreiben „automatisch“ (siehe oben) über das Thema, legen Listen an oder beginnen zu malen. Im Prinzip ist es egal, wie man startet – Hauptsache entspannt und ohne verkrampfte Zielorientierung.

Und nun?

Es gibt sicherlich nicht DEN einen Weg zu mehr Kreativität. Aber es gibt eine einzige Regel, die dies ermöglicht: „Du musst es tun.“

Gehen wir zurück zu den beiden wichtigsten Fähigkeiten, die Kreativität ermöglichen: Erstens ist da die Einstellung, dass Kreativität nicht einfach so entsteht - sondern zuvor die Werkzeuge beherrscht werden müssen. Das dauert und kostet Mühe. Große Ungeduld und viel Selbstkritik stören dabei nur. Lass dir Zeit und sei nachsichtig.

Und zweitens: täglich üben! Egal was. Zehn Minuten „Journaling“ sind schon wertvoll. Oder einige Minuten Meditation - warum nicht auch in der S-Bahn?

Nur wer jeden Tag ein bisschen Adrenalin einspart und ein wenig Dopamin aufbaut, wird erfolgreich dabei sein, seiner Intelligenz den Spaß beizubringen. Und dabei geht es um mehr als nur „Kreativität“.

Keine Ideen für Keywords?

Veröffentlicht am Sep 13, 2018 von Eric Kubitz