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Was Content Marketing alles NICHT ist

Wer sich mit fünf Menschen über Content Marketing unterhält, hört etwa zehn verschiedene Content Marketing Definitionen. Und das ist sogar vernünftig – da es ja um diesen einen, ganz individuellen Weg zur größeren Reichweite geht. Aber wir sollten endlich einmal definieren, was Content Marketing NICHT ist.

Der Versuch einer Definition

Manchmal sind Definitionen „weise“, wenn sie ungenau sind. Mir gefällt deshalb der Wikipedia Artikel zu „Content Marketing“ sehr gut:

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Content Marketing ist eine Marketing-Technik, die mit informierenden, beratenden und unterhaltenden Inhalten die Zielgruppe ansprechen soll, um sie vom eigenen Unternehmen und seinem Leistungsangebot oder einer eigenen Marke zu überzeugen und sie als Kunden zu gewinnen oder zu halten.“

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Ich will mit euch hier keine Text-Arbeit wie damals in der Schule schreiben. Aber genießen wir kurz die ungenaue Aussage in „ist EINE Marketing-Technik“. Ja, bei aller Begeisterung für beratende, informierende und unterhaltende Inhalte: Content Marketing ist nur EINE Technik unter vielen. Manchmal braucht ein Unternehmen eine Conversion-Optimierung, Usability-Beratung, SEO oder vielleicht sogar erst mal eine ordentliche Webseite. Und wenn das so ist, muss man nicht behaupten, man mache Content Marketing, indem man per „Storytelling die Conversion der Shopping-Seite neurolingustisch pusht“. Oder so ein Blödsinn.

Also: Content Marketing ist - grob gesagt - immer dann dran, wenn ich die Möglichkeit, das Budget und die Nerven habe, meine Produkte nicht direkt zu verkaufen - sondern mit guten bis geilen Inhalten auf mich aufmerksam mache oder die Zielgruppen binde.

Und das ist immer ein ganz individueller Weg. Deshalb grenzen wir das nun von den zahlreichen, teilweise halbseidenen und oft verzweifelten Pauschalversuchen ab, aus allem Content Marketing zu machen.

Abbildung 1: Content Marketing und nicht "nur" SEO: Maggi berät und unterhält mit tollem Content.

Was Content Marketing alles nicht ist

Content Marketing ≠ SEO

Wenn die Angestellten einer ehemaligen Linkbuilding-Agentur nun „Qualitäts-Texte“ schreiben anstatt - wie es noch in ihrem Vertrag steht - Links zu kaufen, ist das ganz sicher kein Content Marketing. Übrigens auch nicht, wenn redaktionelle Seiten wie beim Berliner Tagesspiegel, der Frankfurter Rundschau oder beim Kölner Express als Artikelverzeichnisse für „Native Ads“ eingekauft werden oder Outbrain-Anzeigen unter Focus Online Texten stehen. Das kann alles Sinn machen, wir haben Kunden solche Maßnahmen auch schon empfohlen. Aber das ist kein Content Marketing.

outbrain

Abbildung 2: Werbung und kein Content Marketing: Plista und Outbrain können sinnvoll sein - aber sind trotzdem ein anderer Marketing-Kanal.

Vielleicht ist das Gegenteil sogar richtiger: Wenn Du mit einem SEO sprichst, wird am Ende häufig eben kein Content Marketing rauskommen. Denn der SEO wendet sich oft lieber dem Crawler als den Menschen zu. Doch daraus will ich keine Regel machen - denn es gibt viele Online Marketer, die wirklich beides können und sich trotzdem noch als „SEO“ bezeichnen. Aber: Selbst der kluge und hervorragend frisierte Rand Fishkin hat erst neulich nahezu verblüfft die Frage gestellt, ob es sein kann, dass „Search Task Accomplishment“ möglicherweise ein starker Ranking Faktor ist. Das hat mich wirklich verblüfft. Wie lange muss man sich mit Linkbuilding beschäftigt haben, um im Jahr 2017 darauf zu kommen, dass es Googles Ziel ist, den Usern die beste Antwort auf ihre Suchanfrage vorzulegen?

Abbildung 3: Ob "Searcher Task Accomplishment" ein Ranking-Faktor ist? Natürlich!

Content Marketing ≠ teurer Text

Viele nehmen ebenso verblüfft zur Kenntnis, dass ein Text, der 1.000 € statt 300 € kostet, nicht immer wirkungsvoller, besser optimiert oder sonst irgendwie „Content Marketing“ ist. Merke: Der Preis ist nicht immer entscheidend. Ein guter Inhalt ist nur dann gut, wenn er das bringt, was die Zielgruppe will oder braucht. Und es macht überhaupt gar keinen Sinn, teure Texte zu kaufen - und diese wieder ganz unten auf den Shop-Kategorieseiten zu verstecken. Etwas, was wir bei unseren Kunden immer wieder beobachten. Also: Ein guter Inhalt funktioniert nur dann, wenn er die Zielgruppe erreicht. Diese muss ihn sehen, mögen und Lust auf mehr bekommen. Dann gehen wir in die Richtung von „Content Marketing“ - aber das hat zunächst noch nichts mit dem Preis zu tun.

Was noch unter diesen Punkt gehört: Content Marketing ist viel mehr als „Text“. Dazu gehören auch andere Medien. Und diese müssen wir nicht nur veröffentlichen. Der Prozess geht weit früher los („Welche Inhalte wollen wir und was passt zu uns?“) geht über die Präsentationsmöglichkeiten auf der Webseite, im Facebook-Profil oder auf dritten Plattformen hinaus und muss auch immer mit einer Art „Online-PR“ begleitet werden damit überhaupt jemand etwas davon erfährt. Ich halte nicht viel von den immer mehr werdenden Content-Marketing-Prozess-Artikeln. Aber da ist schon was dran: Du brauchst viel mehr als guten Inhalt, damit dieser auch wirklich wirken kann.

Content Marketing ≠ „einen Versuch wert“

Viel Arbeit und ein komplexer Prozess sind der Grund, warum Content Marketing nahezu immer versagen wird - wenn man es "mal versucht“. Wenn man also "mal" eine Kampagne startet und daran misst, ob man weiter macht. Ich denke, man sollte schon genug Geld und Nerven haben, um zwölf Monate durchzuhalten. Nach einem Jahr kann man dann entscheiden, ob das was bringt.

Denn wenn ein Unternehmen erstmals mit beratenden oder unterhaltenden Inhalten auftritt, wird das möglicherweise nicht sofort super-souverän oder gar perfekt ablaufen. Alle Beteiligten müssen sich erst auf die neue Rolle einstellen, die Zeit haben und aus Fehlern lernen. Es dauert nun mal, bis die frisch gebackenen Content-Macher und ihre Zielgruppe zueinander gefunden haben. Diesen Prozess muss man durchstehen.

Content Marketing ≠ teure Agenturen

Und das gelingt ganz sicher nicht, wenn man einer großen Agentur viel Geld überweist - damit die das alles übernehmen. Denn das können sie nicht. Jeder professionelle Unternehmer - und natürlich auch seine Angestellten - weiß mehr über sein Business, seine Zielgruppen und seine Themen als die beste (vulgo „teuerste“) Agentur dieser Welt. Deshalb empfehle ich eine Zusammenarbeit zwischen Kunden und Agentur zum beiderseitigen Nutzen: Der eine kennt sein Business, die anderen zeigen, wie das mit dem Content Marketing geht. Und gemeinsam (!) kommt man dann ans Ziel. Wenn das die Agentur anders sieht, suche vielleicht eine andere...

Macht euch also erst einmal selbst schlau. Denn aus einer Rolle kommst Du auf keinen Fall raus: Wer Inhalte Inhalte auf seiner Webseite veröffentlicht, ist „Publisher“. Und es wäre gut, wenn Du weißt, was das bedeutet. Welche Inhalte funktionieren? Welche rechtlichen Fragen stehen dahinter? Und wer organisiert den Workflow für die - immer notwendigen - Aktualisierungen?

Content Marketing ≠ Copy & Paste

Natürlich bringen viele Beteiligten viele gute Ideen und funktionierende Content Marketing Kampagnen als Beispiele ein. Ob von Ikea, BMW oder einem kleinen Geldbeutel-Hersteller in den USA: Es gibt großartige Cases und Erfolgsgeschichten. ABER: So lange Du nicht Ikea, BMW oder der kleine Geldbeutel-Hersteller in den USA bist, musst Du DEINE eigene Kampagne entwickeln. Glaube nicht, dass gute Kampagnen zu kopieren sind. Es ist nicht mal sicher, dass ein eigener Erfolg noch einmal wiederholt werden kann. Wie sagte Heraklit? „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Denn andere Wasser strömen nach.“

Abbildung 4: Hoch gelobt: Die Slim Wallet Kampagne von Bellroy war hoch gelobt. Lass Dich von so etwas inspirieren - aber kopiere sie nicht!

Content Marketing ≠ Storytelling

Wenn der Typ, der Dir Content Marketing verkaufen will, darauf besteht, dass „Storytelling“ unbedingt dazu gehört, nimm Reißaus. Storytelling ist eine Technik, die in manchen Situationen sehr gut und nachhaltig Menschen aktiviert und informiert. Wenn Du aber eine Ratgeber-Seite entwickelst, würde ich lieber auf Checklisten und Infografiken als auf Storytelling setzen. Alles zu seiner Zeit und am richtigen Platz.

Content Marketing ≠ Big Data

Ein weiteres Feld auf dem Online Marketing Bullshit-Bingo Kärtchen: Alles, was digital ist, wird von Big Data regiert. Und ja, Amazon zeigt uns, wie man die Daten der Kunden gewinnbringend einsetzen kann. Und auch dynamisierte Webseiten mit dem jeweils perfekt passenden Inhalt für alle möglichen Zielgruppen, Kanäle oder Handlungswünsche wären super. Doch wir haben nun mal nicht immer alle Daten unserer Kunden und auch nicht immer Millionen von Produkten. Manchmal reicht es auch, wenn Du Deinem Kunden oder anderen Zielgruppen wie Influencern Deine Liebe zum Produkt, Deine Kompetenz und Dein Engagement zum Ausdruck bringst. Wenn sie spüren, wie Du für Deine Produkte brennst - ist das manchmal mehr wert als eine detailverliebte Kundenansprache. Nicht immer. Aber ich denke, in einer Welt des fehlgeleiteten Retargeting vermutlich immer häufiger.

Content Marketing ≠ Kreativität

Also immer kreativ und innovativ sein? Ehrlich gesagt: NEIN. Content Marketing ist NICHT, wenn Deine Seite besonders schick und modern, einspaltig, mit Burger-Menü und als „holistisches“ Parallax-Monster daher kommt. Das ist dann höchsten einen Design-Preis für Deine Agentur werden. Denn wenn Deine Zielgruppe die Bürgerliche Mitte oder andere traditionelle Milieus sind, dann solltest Du bei jeder Deiner Kampagnen auf narrensichere Navigation statt auf ein schickes Burger-Menü auf der Desktop-Seite setzen. Wer Rentenversicherungen, Mittelklassewagen oder Werkzeug verkauft, sollte sich im Zweifel für ein klassisches Layout entscheiden. Aufschluss über das Verhalten der "Sinus Milieus" gibt gerne das Sinus-Insititut. Wenn der bärtige Hipster-Grafiker darüber die Nase rümpft, weil ihm das als „sorglosen Hedonisten“ nicht gefällt, jage ihn davon. Dann manchmal ist Content Marketing einfach nur ordentliche, anstrengende Arbeit.

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Abbildung 5: Du verkaufst eine Versicherung. Wer ist Deine Zielgruppe? Mit welchen schicken Website-Trends kommt diese wirklich klar?

Content Marketing ≠ Verkauf

Es hat sich zum Glück herumgesprochen, dass der Produkt-Verkauf KEINE legitime KPI für gelungenes Content Marketing ist. Jedenfalls nicht die wichtigste. Irritierend ist allerdings, dass das in der Realität meist so gehandhabt wird: „Natürlich ist der Verkauf nicht wichtig… Aber, jetzt mal ehrlich: Hat sich diese Kampagne umsatzmäßig nun gelohnt oder nicht?“. Deshalb nochmal zum mitsprechen: Content Marketing ist KEIN Verkaufskanal.

Content Marketing ≠ King

Wie schon eingangs geschrieben: Content Marketing ist EINE Marketing-Technik. Und es ist nicht die, die ganz oben auf dem Stapel liegt, wenn sich ein Unternehmen gerade an diese Internet-Welt gewöhnt (und das tun vermutlich immer noch die Mehrzahl der Unternehmer). Ordentliches Content Marketing benötigt mindestens zwei Voraussetzungen: Erstens brauchst Du eine funktionierende, flexible Webseite - um die Inhalte auch entsprechend präsentieren zu können. Und zweitens muss es im Unternehmen die Freiheiten geben, Inhalte zu veröffentlichen. Das klingt banal - aber nur so lange, bis der Chef sich die Facebook-Postings oder neue Ratgeber-Artikel vorlegen lässt. Tja, dann wird es Zeit für andere Marketing-Techniken.

Und nun?

Vielleicht helfen Dir diese Fragen, um entscheiden zu können, ob Du Content Marketing brauchst und/oder schon betreibst:

  • Gibt es Zielgruppen, die ich bislang nicht mit den bisherigen Marketing-Maßnahmen erreiche?

  • Gibt es etwas, was ich diesen Menschen zu sagen habe?

  • Will ich das immer noch, wenn diese Zielgruppen nicht sofort zu Kunden werden?

  • Gibt es einen Ort, auf dem ich dies sagen kann und Kanäle über die ich das verbreiten will?

  • Wie viel von dem, was da zu sagen ist, weiß ich selbst und wofür brauche ich Unterstützung?

  • Was ist mir das wert?

Naja, vermutlich weißt Du jetzt, ob das eine für Dich EINE zielführende Marketing-Technik ist.

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Veröffentlicht am Aug 8, 2017 von Eric Kubitz