« Zurück zum Magazine

Conversational Commerce via Facebook Messenger: die Zukunft des eCommerce?

Wer keine Zeit hat, kauft online ein. Die Mitgliedschaft bei Amazon „Prime bzw. Prime Now“ gehört schon fast zum guten Ton, wenn der Einkauf innerhalb der nächsten 60 Minuten bzw. 24 Stunden zuhause sein soll.

Der Online Einkauf war bisher eine eher dialog-arme Angelegenheit. Man bestellte etwas in einem Onlineshop und bekam im Anschluss eine Bestellbestätigung per Email zugesendet. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kauf via Desktop im Onlineshop oder per Mobile Shopping App bei Amazon, ASOS, Zalando & Co. abgewickelt wurde.

740x400-conversationalCommerce-02-3

Call-Center sollen im Falle eines Problems Support leisten. Manche von ihnen sind inzwischen mit ihren Mitarbeitern im Hintergrund von Facebook Seiten und Twitter Accounts aktiv.

Aber seien wir ehrlich: selbst wenn man ihre Hilfe in Anspruch nehmen müsste, versucht man doch so gut wie möglich, einen großen Bogen um sie zu machen. Oftmals lange Wartezeiten und eine wie auch immer geartete Inkompetenz bestimmen oft die Perspektive der Kunden vom für sie eingerichteten Support.

Conversational Commerce

Mit dem Aufkommen von Messaging Apps wie WhatsApp, Facebook Messenger, WeChat oder LINE verlagert sich ein Teil des eCommerce von den Shopping Apps in die Messenger-Apps. Dabei wird der Kauf im Dialog durchgeführt (Conversational Commerce). Dieser basiert auf Unternehmensseite zumeist auf einer (Chat-)Bot-Software, die im Hintergrund per Text- und Spracherkennung die Kundenwünsche auf Basis vorgefertigter Dialogmuster analysiert.

In Zukunft werden Chatbots mit Hilfe künstlicher Intelligenz noch viel mehr Fragen beantworten können und damit noch mehr auf die individuellen Anforderungen reagieren können, als es bisher der Fall ist.

Konversation beim Online-Einkauf: warum?

Conversational Commerce wurde als Begriff vom Tech-Vordenker Chris Messina, (früher Google, heute Uber) zu Beginn des Jahres 2015 in die öffentliche Debatte eingeführt.

In seinem Beitrag auf Medium schrieb Chris damals:

"Conversational commerce is about delivering convenience, personalization, and decision support while people are on the go, with only partial attention to spare. I expect more service providers will shift in this direction, becoming more subtle in how they integrate into our lives."

Ein Jahr später, Anfang 2016, hat sich Chris festgelegt:

"2016 will be the year of conversational commerce." (Quelle)

Kommen wir zunächst zu den Rahmenbedingungen. Im April 2016 hat Mark Zuckerberg auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8 bekannt gegeben, dass es ab sofort eine Send/Receive API für den Messenger geben wird, die es ermöglicht, Bots zu erstellen. Damit reagierte Facebook auf den Druck aus Asien. Dort verfügen WeChat und LINE, die beiden führenden Messaging Apps, zusammen längst über eine Milliarde Nutzer und sind bei weitem marketingorientierter als die hiesigen Messenger.

Das hat die Zahl der Bots natürlich in die Höhe schnellen lassen. Nachdem man im Juli noch 11.000 Bots verzeichnen konnte, sind es inzwischen über 30.000 Bots, so David Marcus, der den Bereich Messenger bei Facebook verantwortet, Mitte September 2016 gegenüber The Verge.

Im gleichen Artikel wird er mit den folgenden Worten zitiert:

"Bots are overhyped and underpowered, says the man who runs Facebook Messenger."

Damit gibt sich der Messenger-Chef erstaunlich offen und selbstkritisch.

"Die meisten Chatbots können die Erwartungen der Nutzer nicht erfüllen", so Malte Goesche, Head of New Platforms bei BILD, in seinem Vortrag auf der Allfacebook Marketing Conference in Berlin vor ein paar Wochen.

Dabei bezog er sich insbesondere auf den nachfolgenden Tweet:

tweet_david_j_bland

Demnach gibt es bisher nur wenige Übereinstimmungen zwischen den Problemen der Kunden und den Fähigkeiten der Bots, diese zu lösen. Goesche zitiert schließlich Fred Wilson, einen führenden Risikokapital-Anleger (VC) aus dem Silicon Valley:

"New user behaviors take time to develop and sometimes require a breakthrough app to get things started. That’s where we are with chat bots. The hype phase is over and we are now into the figuring it out phase. That’s usually when interesting stuff starts to happen."

So far, so good. Und in Deutschland?

In Deutschland hat sich unter anderem Investor Fabian Westerheide bei internetworld.de positiv visionär zum softwarebasierten Dialog beim Online-Einkauf geäußert:

"In zehn Jahren werden wir total natürlich mit Maschinen reden, schreiben oder denken. Chatbots werden für uns vieles sein: Anwalt, Sekretärin, Buchhalterin, Anlageberater, Reisebüro. Sie werden für uns essen bestellen, einkaufen oder das Auto vorfahren."

Das setzt allerdings voraus, dass sich die Chatbots der heutigen Generation auf Basis von Text- und Spracherkennung auf Basis des Kundenfeedbacks sowie mit Hilfe des Faktors Künstliche Intelligenz weiterentwickeln. Zuletzt wurde bekannt, dass eBay über den Facebook Messenger seinen persönlichen Shopping-Assistenten "ShopBot" initialisiert hat.

Vor dem Hintergrund von Conversational Commerce muss es das Ziel der Chatbot-Entwickler sein, einfache aber effiziente und persönliche digitale Beratern zu entwickeln, die Marken beim Abverkauf unterstützen und ggf. den Customer Support entlasten, was wiederum mit erheblichen Einsparungspotentialen verbunden sein könnte.

Zukunftsträchtig ist das Ganze allemal, denn es findet an einem Ort statt, an welchem sich mittlerweile mehr Nutzer aufhalten als in den Social Networks!

Vorteile des Conversational Commerce für Marken

Es ist zu konstatieren, dass die bisherige Chatbot-Diskussion mehr von Vorteilen als von Nachteilen geprägt war. Facebook selbst wie auch immer mehr Fachleute bemühen sich mittlerweile um eine realistische Betrachtungsweise auf das Thema:

1. Mobile Commerce

Mobile Commerce (auch mCommerce genannt) ist ein Teilbereich des eCommerce. In Deutschland beträgt der Anteil des Mobile Commerce am Gesamtumsatz des eCommerce laut der jüngsten Internet Retailer Studie bei rund einem Drittel (27,7%).

Damit ist klar: Die übrigen zwei Drittel oder 72,3% werden via PC/Laptop erwirtschaftet. Der Anteil des mCommerce ist durchaus ausbaubar!

Da der Conversational Commerce seinen Fokus auf Mobile richtet, liegt die Vermutung nahe, dass der Mobile Commerce dadurch eine Stärkung erfahren wird, wenn es sukzessive mehr Chatbots im Facebook Messenger mit eCommerce-Charakter gibt.

Abbildung 1: Screenshot des eBay ShopBot

Conversational Commerce ist (wird) die Einkaufs- und Beratungserfahrung für unterwegs. Und je ausgereifter und lernfähiger die Chatbots werden, desto größer wird die Akzeptanz der Nutzer für den Conversational Commerce sein.

2. Customer Support

Spricht man mit Fachleuten über das Thema, so wird immer wieder das Call Center Beispiel angeführt. Viele große Marken haben Call Center, die mit ihrem Customer Support maßgeblich dazu beitragen, Probleme der Kunden zu beheben. Schließlich wird der Customer Support mittlerweile auch in Social Media realisiert.

Schafft man es, dass der Conversational Commerce den Customer Support entlasten kann, wird es zu Kosteneinsparungen kommen, weil Chatbots nicht nur über gewisse Automatismen verfügen, sondern auch bei weitem kostengünstiger als Mitarbeiter sind. In welchem Rahmen sich die Kosteneinsparungen bewegen, wird man im Einzelfall sehen müssen. Aber letztlich wäre das ein handfestes Argument pro Conversational Commerce.

3. Mobile

Conversational Commerce ist purely Mobile. Damit geht er den Weg, den die meisten Internetnutzer beschreiten. Sie nutzen das Internet mobil.

Primär spielt die Musik in den Messengern, die ganz klar für die "One-To-One Kommunikation" stehen im Gegensatz zu den Social Networks.

Der daraus entstehende Traffic sowie die größere und schnellere Bereitschaft, Links anzuklicken bzw. diese weiterzugeben (offline/online) sind für den Conversational Commerce von großem Wert, da sie der Marke und ihren Shops zugute kommen.

4. Convenience

Conversational Commerce muss zweckmäßig sein. Der schnelle "Unterwegseinkauf" darf nicht aufwendig für den Kunden sein. Der "Shop Bot" von eBay geht in die Richtung, auch wenn er längst nicht ohne Fehler ist. Zu seiner Verteidigung muss man aber anführen, dass er noch ganz neu auf dem Markt ist.

Der Einkaufsprozess erfolgt hier nach Themenbereichen, die man näher spezifizieren kann. Die Reihenfolge wäre etwa Art Design -> Designer Collabs -> 9 ausgewählte Produkte mit Preise -> Shop

Ein interessantes Konzept, dass allerdings einen Nachteil hat: der Nutzer wird auf die mobile Webseite von eBay geleitet statt in die App, sofern diese auf dem entsprechenden Smartphone installiert ist. Das würde den Kaufprozess für die mobile Kunden weit einfacher und effizienter gestalten.

5. Daten

Wofür interessiert sich Kunde X? Welche Produkte kauft er regelmäßig? Welche Marken präferiert er? Wie hoch sind im Schnitt die Summen der Einkäufe?

Diese und andere Fragen werden durch die Chatbot-Nutzer beantwortet. Sowohl die Marke als auch Facebook verfügen dann über die Daten von Einzelpersonen und ihr Kaufverhalten. Das kann für Facebook beispielsweise interessant sein im Hinblick auf Werbetreibende und ihre Zielgruppen. Für den Chatbot-Betreiber interessant sind solche Daten, weil sie es ihm etwa ermöglichen, beim Retargeting präziser die richtige Werbung auszuspielen.

Marken wollen um die Bedürfnisse ihrer Kunden wissen, um diese optimal bedienen zu können. Mit Hilfe eines Chatbots ist dies noch besser möglich als bisher.

Entscheidungshilfe

Wir rufen uns in Erinnerung: Chatbots sind purely Mobile! Und Mobile heißt meistens, dass Nutzer wenig Zeit haben, weil sie unterwegs sind. Ihre Aufmerksamkeitsspanne ist noch geringer als sonst.

Chatbots können in solchen Situationen äußerst wertvoll sein, da sie eine potentielle Zeit- und Kostenersparnis darstellen.

Nachteile des Conversational Commerce für Marken

Der größte Nachteil ist derzeit wahrscheinlich die mangelnde Lösungskompetenz der existierenden Chatbots, womit eine geringe Akzeptanz einhergeht. Dieser Zustand wird sich in den kommenden 12 Monaten stark verändern, aber derzeit ist es schwierig.

Aktuell kritisieren viele, dass sie sich ungerne mit einer "Maschine" unterhalten wollen. In puncto Customer Support erlebt man heutzutage oft, das ein Großteil des Gesprächs automatisiert ist, um das Anliegen zu kanalisieren und bestmöglich zu bearbeiten.

Aber natürlich ersetzt eine solche Automatisierung nicht den persönlichen Austausch. Der Erfolg der Chatbots im Conversational Commerce steht und fällt mit ihrer Präzision und Individualität.

1. Auffindbarkeit

Das ist ein Punkt, der aktuell wirklich nervig ist. Wie findet man (Chat-)Bots? Beispielsweise über eine Botliste wie diese hier: https://botlist.co/ Interessant daran ist, das die Liste (Chat-)Bots für diverse Messaging Plattformen enthält, aber eben nicht WeChat oder LINE.

Ansonsten findet man neue Chatbots über Artikel sowie in den sozialen Netzwerken und natürlich, wenn man ihre Namen kennt.

2. Verständnis

"Beyond the tech scene, most people don’t even know what a chatbot is and what it is good for." (Quelle)

Ob dem wirklich so ist, ist schwierig zu beurteilen. Aber sicherlich ist etwas daran. Ein Blick in die Realität zeigt doch, dass es bisweilen eine künstlich geschaffene "Mensch vs. Maschine"-Diskussion ist.

Beispiel KLM: die holländische Airline war eine der ersten Brands, die überhaupt mit dem Facebook Messenger experimentiert hat.

Dabei handelt es sich um einen Bot, der dem Kunden nach dem Kauf eines Tickets rund um die Reise wichtige Informationen (Abflugzeiten, Gate, Flugzeiten usw.) in Realtime über den Facebook Messenger zur Verfügung stellt.

Letztlich ist das ein weiterer Weg, um die Bindung der Kunden an die Marke zu stärken.

Zur Zukunft des Conversational Commerce

Was wir derzeit erleben, ist eine Konsolidierung im Bereich der (Chat-)Bots auf Facebook im Messenger. Die Infrastruktur wird von Facebook sukzessive erweitert, wie man zuletzt mit der Öffnung für Payment sehen konnte.

"What people really want are integrated tools that make it easier to do regular tasks in a comfortable and familiar place: Within a conversation." (Quelle)

Conversational Commerce wird nur in dem Maße erfolgreich sein, wie er den Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden gerecht wird.

Diese wollen schnell, problemlos (ohne Logins mit Passwörtern und Emailadressen) individuell und sicher (https, Zertifikat) einkaufen und eine Rechnung erhalten. Die Personalisierung sollte beispielsweise beinhalten, beim Auswahl-und Kaufprozess nichtstandardisierte Fragen zuzulassen, damit der Kauf so persönlich wie nur möglich vollzogen werden kann.

Das wird kommen. Insgesamt befinden wir uns derzeit aber noch in der Findungsphase. Jetzt kommt es darauf an, die Learnings aus den ersten Monaten aufzuarbeiten und in den kommenden Projekten umzusetzen.

Was wir bei der ganzen Diskussion nicht vergessen dürfen, sind Smarte Systeme wie Amazon’s Alexa Echo, Microsoft’s Cortana oder Apple’s Siri, die sich parallel zu den Chatbots entwickeln und mit Hilfe künstlicher Intelligenz eine zunehmende Personalisierung erfahren.

Fazit: 3 Take Aways

1. Chatbots werden künftig einen großen Teil der digitalen Kommunikation ausmachen, weshalb es wichtig ist, dass sie effizient, sicher und persönlich in der Kommunikation mit Nutzern sind.

2. Conversational Commerce wird zunehmen; noch befindet er sich freilich in einem Anfangsstadium.

3. In den nächsten 12 Monaten werden sich auch Nutzer in Deutschland mehr und mehr daran gewöhnen, über (Facebook) Messenger auch einzukaufen, da mehr und mehr große Marken die Synergieffekte dieser Technologie nutzen werden.

Vereinfache Dein digitales Marketing mit nur einem Tool – der Ryte Software Suite.

Veröffentlicht am Oct 27, 2016 von Johannes Lenz