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Illusion of Control – Methoden zum Einsatz im E-Commerce

Eine bestimmte Situation kontrollieren zu können, wirkt sich als eine Art der Motivation auf das menschliche Handeln aus. Menschen neigen dazu, das Ergebnis einer Handlung oder eines Prozesses als positiver zu bewerten, wenn sie selbst Einfluss darauf nehmen konnten.

Dahinter verbirgt sich das Behavior Pattern “Illusion of Control” - konkret bezeichnet es den Irrglauben von Menschen gewisse Vorgänge kontrollieren zu können, die nachweislich nicht beeinflussbar sind.

Behavior Patterns haben nicht erst seit dem 2018 erschienenen “PsyConversion” von Philipp Spreer Einzug ins Online-Marketing gefunden. Doch Spreers Sammlung der 101 gängigsten Patterns haben dazu beigetragen, ein Bewusstsein für die Nutzung der Verhaltensmuster, denen wir alle mehr oder weniger unterliegen, im Online-Marketing zu schaffen. Speziell im E-Commerce kann das Triggern von Behavior Patterns zur Optimierung der User Experience und zur Erhöhung der Conversion Rates eingesetzt werden. Am Beispiel des Behavior Patterns Illusion of Control wird der Nutzen für den E-Commerce besonders deutlich.

Wir kaufen unterbewusst ein

Um das Prinzip und die Wirkung von Behavior Patterns zu verstehen, muss man sich schnell von der Idee verabschieden, dass der Mensch ein rationales Wesen ist und seine Entscheidungen grundsätzlich sehr überlegt trifft. Denn nur rund 5% unserer Kaufentscheidungen werden durch eine gewisse Rationalität dominiert. Bei den restlichen 95 % haben unsere Gefühle und unbewusste Verhaltensmuster die Oberhand.

Der aktuelle Stand der Wissenschaft besagt, dass wir zwei Entscheidungssysteme besitzen, ein intuitives und ein rationales, auch System 1 (Intuition) und System 2 (Ratio) genannt. Der Großteil unserer Entscheidungen wird also vom intuitiven System 1 getroffen und läuft damit unbewusst ab. Daraus ergibt sich, dass wir in vielen Situationen gar nicht in der Lage sind einen rationalen Entscheidungsprozess anzuwenden. Genau das kannst Du Dir im E-Commerce zu Nutze machen.

System 1 – intuitives Denken

Das Denken bzw. Entscheiden mit System 1 arbeitet schnell, spontan, intuitiv und verzichtet auf eine kognitive Auseinandersetzung. Die Geschwindigkeit intuitiver Entscheidungen liegt an der Leichtigkeit mit der wir auf zugrundeliegende Heuristiken bzw. erlernte Verhaltensmuster zurückgreifen können. System 1 wird von impliziten, also nicht bewusst wahrgenommenen Reizen beeinflusst.

System 2 – rationales Denken

Dieses Entscheidungssystem arbeitet anders, es wird dem eigenen Bewusstsein zugeschrieben und verarbeitet Informationen rational-kognitiv. Der Einsatz von System 2 führt zur Anstrengung und physischer Belastung. Es wird aktiviert, wenn kraftraubende mentale Aktivitäten unsere Aufmerksamkeit erfordern. Beispielsweise bei komplexen mathematischen Berechnungen oder aber auch, wenn bestimmte erfasste Informationen nicht in den gezeichneten Kontext passen und daher noch einmal überdacht werden müssen.

Denken wir also aktiv über etwas nach, so rutschen wir in das langsame und rationale System 2. Zudem fungiert es bei schwierigen Entscheidungen als eine Art Kontrollinstanz, die in seltenen Fällen aktiviert wird.

Entscheidungsprozesse

Durch diese zwei Entscheidungssysteme und das Wissen, dass wir unsere Entscheidungen fast ausschließlich intuitiv treffen, eröffnen sich im E-Commerce viel bessere Möglichkeiten den User zu verstehen. Oftmals sind unsere Entscheidungssysteme unbewussten, kognitiven Verzerrungen ausgesetzt. Dadurch kommt es zu falschen Interpretationen der Wahrnehmung, Erinnerung und Bewertung. Diesen Fehlinterpretationen folgt dann häufig ein Verhaltensmuster, also ein sogenanntes Behavior Pattern, das Du für Deinen Onlineshop einsetzen kannst.

Denn durch bewusst gesetzte Trigger kannst Du beim User ein bestimmtes Verhalten forcieren bzw. ihm durch das Auslösen von Behavior Patterns einen “Schubs” in die gewünschte Richtung geben.

Was sind Behavior Patterns?

Behavior Patterns sind kognitive Verhaltensmuster die wir alle in uns tragen, um das Treffen von Entscheidungen zu vereinfachen. Diese grundlegenden Ablaufpläne nehmen Einfluss auf unsere Wahrnehmung, das (Kauf-)Verhalten und die Motivation gewisse Handlungen auszuführen. Diese Verhaltensmuster sind bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt.

Beim Einsatz von Behavior Patterns im E-Commerce bzw. grundlegend auf Websites geht es keineswegs um die Manipulation Deiner User für den schnellen Verkauf. Behavior Patterns funktionieren auch nicht als universelle Vorlage, sondern wirken sehr individuell und kontextabhängig.

Wenn Du Behavior Patterns einsetzen möchtest, musst Du im Vorfeld Deine Zielgruppe kennen und verstehen. Zu verinnerlichen, dass Menschen sich unbewusst und gleichzeitig auf Basis von klar definierten Mustern entscheiden ist dabei tragend. Es hilft Dir dabei, den kognitiven Aufwand Deiner User zu verringern und somit das Online-Shopping zu einem angenehmen Erlebnis werden zu lassen.

Die Vorteile durch den Einsatz von Behavior Patterns

Behavior Patterns wirken sich im E-Commerce gleich an mehreren Stellen des Sales-Funnels positiv auf die User Experience und die Conversion Rate aus. Ihr Einsatz:

  • macht Produktseiten attraktiver und überzeugender

  • zahlt positiv auf die Überzeugungskraft Deiner Website ein

  • steigert das Kaufinteresse und die Kaufabsicht

  • erhöht Deine Conversion Rates

  • erhöht langfristig Deinen Business-Value

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Wie bereits eingangs erwähnt, bewerten wir eine Situation oder Handlung positiver, wenn wir sie kontrollieren können oder zumindest glauben, dass wir die Kontrolle haben. Dieses Verhalten lässt sich dem Behavior Pattern Illusion of Control zuordnen. Ein einfaches Beispiel hierfür ist, dass Menschen beim Würfelspiel kräftiger würfeln, wenn sie eine höherer Zahl würfeln wollen.

Illusion of Control

Entdeckt wurde dieses Pattern bei einem mittlerweile durchaus berühmten Kartenexperiment. Teilnehmer des Experiments bekamen zwei verdeckte Karten, eine Gewinn- und eine Verliererkarter, die Teilnehmer schätzten die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen deutlich höher ein, wenn sie die Karte selbst auswählen dürften.

Daraus folgt, dass man dem Irrglauben verfallen ist, man könnte durch ein bestimmtes Maß an Kontrolle den Ausgang einer Zufallssituation zu seinen Gunsten beeinflussen.

Einsatz im E-Commerce

Die Kontrollillusion ist ein wertvolles Werkzeug, das in der Entscheidungsphase eines Kaufabschlusses zum Einsatz kommt. Wenn ein User also glaubt die Kontrolle über nicht beeinflussbare Prozesse zu haben, solltest Du ihm diesen Glauben innerhalb des Sales-Funnels nicht nehmen. Denn kontrollbestätigende Elemente wirken sich positiv auf den weiteren Verlauf der Customer Journey aus und reduzieren die Abbruchquote.

Käufe schneller und intuitiv abschließen

Wenn also ein User glaubt einen Prozess kontrollieren zu können, egal ob in der Produktsuche, bei wichtigen Informationen oder im Bestellvorgang, empfindet er subjektiv ein geringeres Risiko und ist im Gegenzug dafür bereit ein objektiv höheres Risiko einzugehen. Somit lässt er sich dann von System 1 leiten und entscheidet sich schneller und intuitiv für einen Kauf. Für Deinen Onlineshop kannst Du verschiedene Elemente einsetzen, die unter das Pattern Illusion of Control fallen. Folgend findest Du einige Website-Beispiele, die dieses Behavior Pattern geschickt einsetzen, um bei ihren Usern die gewünschte Handlung, also den Kauf auszulösen.

Auswahlmöglichkeiten aufzeigen

Shops wir Outfittery oder JustFab setzen ganz bewusst und vor dem eigentlichen Kauf bzw. Bestellvorgang einige Trigger und bieten ihren Usern verschiedene Auswahlmöglichkeiten, um ein personalisiertes Produktpaket zu schnüren.

Bei Outfittery beispielsweise entscheidet sich der User in einem Auswahlprozess für verschiedene Stilrichtungen und durchläuft eine Art Entscheidungsfolge. Er gewinnt somit den Eindruck, das Ergebnis für sich positiv zu beeinflussen. Am Ende des Vorgangs hat der User keine Möglichkeit etwas seinen Präferenzen entsprechend zu bestellen, sondern bekommt eine fertige Auswahl an Kleidungsstücken zugeschickt. Allerdings liegt dies dann wieder außerhalb seiner Kontrolle.

Outfittery

Abbildung 1: Auswahlmöglichkeiten bei Outfittery

Ein weiteres Beispiel für eine ähnliche Vorgehensweise bietet IKEA. Hier geht es um die Sortierung der Produkte und Produktkategorien. Der User kann entscheiden, wie er sich die Artikel anzeigen lassen möchte. Es gibt verschiedene Übersichtsansichten sowie die Möglichkeit Filter zu setzen. Zudem kann der User sich die einzelnen Kategorien mit der Auflistung der entsprechenden Produkte anzeigen lassen oder einen bestimmten Bereich auswählen. All diese Möglichkeiten sind für den User stets prominent in der Navigation dargestellt.

IKEA

Abbildung 2: Sortierung der Produkt und Produktkategorien bei IKEA

Dadurch hat der User eine gewisse Kontrolle darüber, wie er den Onlineshop nutzt und kann sich aussuchen, welche Darstellung er am übersichtlichsten findet.

Entscheide selbst

Aussagen in Onlineshops wie z. B. “Sie entscheiden, wie Sie bezahlen” ,” Sie haben jederzeit die volle Kontrolle über den Bezahlprozess” unterstützen System 1 und fördern den Kaufabschluss. Denn auch hier wird dem User ein Stück Kontrolle über den Bestellprozess suggeriert, in Form einer flexiblen Aufstellung der Zahlungsmethoden. Diese Strategie macht sich auch REGIOJET zu Nutze, indem der Verkauf von Online-Fahrkarten genau durch diese Sätze angekurbelt werden soll. Der potentielle Kunde hat die volle Kontrolle über seine Zahlungsart. Als zusätzliche Unterstützung sind die unterschiedlichen Zahlungsarten kategorisiert und ausführlich beschrieben.

RegioJet

Abbildung 3: Illusion of Control bei REGIOJET

Hierunter fällt auch zusätzlich die Entscheidungsmöglichkeit, wie der potentielle Kunde in einem Onlineshop bestellen möchte, bzw. wie er als Kunde erfasst wird. Bei Xucker beispielsweise hat der User die Möglichkeit als Gast einmalig zu bestellen, sich zu registrieren und ein Kundenkonto anzulegen oder sich mit seinem Amazon-Zugang anzumelden.

Xucker

Abbildung 4: Entscheidungsmöglichkeit bei Xucker

Seitenzahlen

Bei Onlineshops, die eine hohe Anzahl von Artikeln in den einzelnen Produktkategorien bewerben sind Seitenzahlen oder “Mehr”-Buttons sinnvoller als Infinite Scrolling, um dem User die Kontrolle zu überlassen. So kann er selbst entscheiden, ob er die Suche so fortsetzen möchte und sich weitere Produkte anzeigen lässt oder z. B. eine andere Kategorie ansehen möchte. Zudem kann er auch praktisch von Seite zu Seite switchen, um sich auf Seite XY ein Produkt abermals anzusehen. Er hat also auch die Kontrolle über die eigene Orientierung in der Produktkategorie. Ein gutes Beispiel hierfür ist Amazon, hier bekommen User grundsätzlich Seitenzahlen innerhalb ihrer Suche angezeigt.

Amazon

Abbildung 5: Seitenzahlen bei Amazon

Feedback geben

Ein weiteres Element, um eine Kontrollillusion für den User zu schaffen, ist es Feedback zu ausgeführten Handlungen im Onlineshop zu geben. Sobald der User etwas in seinen Warenkorb gelegt oder entfernt hat, ist es sinnvoll, ihm diese Handlung noch einmal zu bestätigen. Denn auch so hat der User das Gefühl alles im Blick und unter Kontrolle zu haben.

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Abbildung 6: Feedback sofort erhalten bei roasmarket

Bei roastmarket passiert genau das. Sobald ein User seinem Warenkorb ein Produkt hinzufügt, bekommt er dazu Feedback. Zudem wird seine Produktwahl noch positiv bestärkt.

Omnipräsenz wichtiger Informationen

Wichtige Informationen für den User sollten dauerhaft im Shop präsent und schnell zugänglich sein. Dadurch hat der User einen Überblick zu seinen Optionen und möglichen weiteren Handlungen. Er behält die Kontrolle über den Kaufprozess. Ein Beispiel ist der eingebettete Warenkorb als sticky Element am oberen Rand der Seite. Diese Umsetzung lässt sich im Onlineshop von H&M finden. Der Warenkorb, hier als Einkaufstasche bezeichnet ist dauerhaft bei allen ausgeführten Aktionen auf der Website sichtbar und wird immer mitgeladen.

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Abbildung 7: Sticky Warendkorb bei H&M

Allerdings gibt es hier noch einen interessanten Zusatz, der das angewendete Pattern noch weiter unterstützt. Sobald man mit der Maus über die Einkaufstasche fährt, öffnet sich diese als Pop-up, der User sieht den Inhalt und bekommt noch einmal zwei Auswahlmöglichkeiten. Mit einem Klick auf den Button "Einkaufstasche" können die ausgewählten Produkte bearbeitet oder gelöscht werden, während der Button "Zur Kasse" den Kauf abschließt.

Zu den so genannten wichtigen Informationen zählen auch weitere Kontaktmöglichkeiten. Diese sollten auch gut sichtbar als Button oder Fähnchen am rechten Bildrand präsent sein. Wenn es dann hier auch noch eine Auswahl, wie Live-Chat, Telefon, E-Mail oder Terminvereinbarung gibt, fühlt sich der User wieder in der Meinung bestärkt, selbst bestimmen zu können. Wie so etwas umgesetzt werden kann zeigt die Website von OTTO. Hier verrät der Klick auf einen Button alle unterschiedlichen Kontaktmöglichkeiten.

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Abbildung 8: Kontaktmöglichkeiten bei Otto

Der Einsatz von Triggern, um ein bestimmtes Verhaltensmuster auszulösen kann gerade im E-Commerce an verschiedenen Stellen und in ganz unterschiedlichen Ausrichtungen stattfinden. Aber Du musst Dir natürlich überlegen, an welchen Punkten das Pattern Illusion of Control zielführend ist und auch funktioniert. Hier kannst Du natürlich verschiedene Varianten gegeneinander testen. Gerade bei diesem Pattern solltest Du aber die User Experience nicht aus den Augen verlieren.

Problematisch für die User Experience

Beim Einsatz von Illusion of Control für Deinen Onlineshop, solltest Du darauf achten, die nötigen Elemente eher zurückhaltend zu verwenden. Denn es kann mit den gängigen UX-Konventionen kollidieren, gerade bei übermäßiger Nutzung. Eine gelungene User Experience zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass die Websites möglichst schlank und entscheidungsarm sind, um dem User alles zu vereinfachen und schnell zu dem gewünschten Ziel zu führen. Daher könnte die übertriebene Verwendung von Triggern, die bei Deinen Usern die Kontrollillusion auslöst, zu einer schlechteren UX führen. Also gilt auch hier, wie so oft: Alles in Maßen.

Fazit

Der Einsatz von Behavior Patterns an verschiedenen Stellen Deines Onlineshops ist keine Raketenwissenschaft. Eine wichtige Voraussetzung solltest Du dabei aber nicht vergessen, Du musst Deine User und Kunden kennen und verstehen, was während der Customer Journey in ihrem Kopf vorgeht. So gelingt es Dir dann auch Patterns wie Illusion of Control sinnvoll zu verwenden. Gleichzeitig solltest Du Dir im Klaren darüber sein, dass Behavior Patterns auch keine Wunder vollbringen, sondern nur eine Stellschraube von Vielen sind und nicht zu übertrieben eingesetzt werden sollten. Dennoch bietet Dir Illusion of Control die Möglichkeit das intuitive Handeln Deiner User zu unterstützen und sie so in eine bestimmte Richtung zu führen ohne manipulative Strategien anzuwenden.

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Veröffentlicht am Mar 25, 2019 von Tatjana Hein