Print- oder TV-Kampagnen sind meistens teurer als Onlinewerbung. Manches ist dort deshalb deutlich durchdachter. Eine Erinnerung für neue Zeiten im Online-Marketing.
Besprochen wird es in Fachbüchern über das Marketing. Gesichtet wird es immer wieder mal in ungenutzten Formatvorlagen der Schreibprogramme von Werbeagenturen. Oft wird es bestenfalls vergessen oder ignoriert. Die Rede ist vom Briefing (Creative Brief).
Briefings werden im digitalen Marketing (aber nicht nur dort) oft wie Relikte aus sagenumwobenen Werbeagenturzeiten behandelt. Als noch der Champagner in Strömen floss und Dreitagebarttypen rauchend und lässig die Nächte durcharbeiteten. Das Briefing wird konsequent unterschätzt. Man scheut es, weil es am Anfang zu etwas mehr Nachdenken zwingt. Das kostet zwar etwas Zeit. Diese Zeit wird aber auf dem Weg zum Ergebnis mehrfach gewonnen. Deshalb dieses Plädoyer für das Briefing.
Ein gut strukturiertes Briefing kann z. B. eine Online-Kampagne oder E-Mail-Kampagne hervorbringen, die perfekt mit 18/1-Plakaten oder Werbung auf Bussen und Bahnen synchronisiert ist. Plattformübergreifend. Crossmedial. Kolossal.
Ein gutes Briefing setzt voraus, dass etliche Personen miteinander geredet haben und im Gespräch bleiben: Online-Marketing-Verantwortliche mit Vertriebsleuten, Produktmanager mit Kunden, Designer mit Marktforschern. Und das alles in allen denkbaren Kombinationen. Immer dazwischen und dabei: Konzeptionstexter, die Fragen stellen.
Abbildung 1: Skizze im Briefinggespräch
Die Inhaltsangabe zeigt, was die Bestandteile des Werkes (Kampagne) sein sollen, wie die Kampagne wirken soll, auf wen sie wirken und was sie bewirken soll:
Meistens entstehen schon durch die Auftragsformulierung erste Zielbilder und Ideen. Meine Erfahrung aus fast 25 Jahren im Marketing:
Skizzen aus einem Briefinggespräch werden später als die Eltern der Kampagne erkennbar.
Erfolgreiche Beratungsgeschäfte basieren immer auf klaren Verabredungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Beide Seiten wissen schon einmal, wofür gearbeitet wird (Ergebnis / Ziel). Sie haben zumindest ähnliche Vorstellungen vom Resultat. Sie wissen, in welche Richtung sie gehen wollen. Das ist schon mal ein großer Unterschied zur täglich erlebten Marketing-Realität.
Abbildung 2: Wann, mit welchen Mitteln, auf welchem Weg und wohin? Sonst heißt es: „Es fährt ein Zug nach irgendwo“
Einer der Klassiker im Non-Briefing-Business ist natürlich dieser Traum: „Wir wollen auf die Seite 1.“ Gleich danach kommen Ansagen wie: „Outranken durch bessere Beantwortung von W-Fragen“ oder „Reichweiten durch mehr Interaktion (Engagement) erhöhen“.
Warum und wodurch aber kann ein Unternehmen bestimmte Fragen besser als andere beantworten?
Keiner sagt es.
Es beginnt immer mit einer Frage. Jemand sucht eine Information (Informational Search Query). Er findet Antworten auf einer gut geschriebenen Seite. Hier ist die Customer Journey oft auch schnell vorbei, wenn es kein umfassendes Briefing gibt.
Abbildung 3: Customer Journey – nächste Ausfahrt: Konversion?
Mit einem Briefing beginnt die Customer Journey hier erst richtig.
Im Briefing könnte in einem Fall als Herausforderung an die Kreativen stehen, dass „kein Kunde wirklich verstehen kann, was das Produkt bewirkt, bevor er es erlebt hat“ (Material, Geschmack, Haptik, was auch immer). Die Begegnung mit dem Produkt ist also unverzichtbar.
Was hier zuerst wie ein Problem aussieht, kann zum zentralen Kampagnenmotiv werden. Wie wäre es z. B. mit der physischen Aktivierung der Zielgruppe?
Oder das Thema Engagement:
Ein gut ausgearbeitetes Briefing präzisiert, was das Ergebnis von Interaktion sein soll bzw. sein könnte.
Nein, nicht einfach nur das Gewinnen von E-Mail-Adressen (List-Building) durch den Download eines Ratgeber-PDFs. Das funktioniert bei einem guten Ratgeber immer. Es ist ein gutes Mittel.
Aber was kommt dann?
Auch der Newsletter ist hier nur eine von mehreren Möglichkeiten, aus einem Erstkontakt mehr zu machen. Außerdem muss sich der Newsletter heute mit vielen anderen Betreffzeilen die E-Mail-Postfächer der Kunden teilen.
Kreative Freiheit durch Grenzen. Einst wurde das Briefing schön besungen. Lange vor dem Internet. Den großen Werber David Ogilvy verlangte es nach der Freiheit eines engen Briefings: Give me the freedom of a tight brief. Freiheit durch Grenzen? Warum soll ausgerechnet ein eng gefasstes Briefing für so viel Freiheit sorgen?
Warum lassen sich Kreative und Agenturen auf nichtssagende oder zu wenig konkrete Handlungsanweisungen ein, über denen zwar das Wort Briefing steht, die aber kein Briefing enthalten? Warum laufen viele in irgendeine Richtung?
Monitore, analysiere und optimiere Deine Website mit der Ryte Software!
Der Mediaplaner, der Art Director, der Werbetexter und die Creative Direction sind in der Onlineagentur gleichzeitig Auftragnehmer und Ausführende:
Planer und Kreative sind Dienstleister, die ein gewünschtes Ergebnis (Kommunikationsziel) entwickeln sollen.
Eine Werbemaßnahme, sei es im digitalen Marketing oder im klassischen Marketing, kann also einzig das Bahnen von Assoziationen bewirken. Aber das ist ziemlich viel, wenn es so verstanden und konsequent umgesetzt wird.
Gut gebrieftes Marketing kann einem Betrachter ein Gefühl oder eine erlebte Realität anbieten, vorschlagen. Es kann den möglichen Kunden auf das einstimmen, was möglicherweise eintreten wird, sobald er Produkt X in den Händen hält oder Dienstleistung X zu nutzen beginnt.
Deshalb ist das Briefing so wichtig. Denn hier beginnen erst die relevanten Fragen.
Bei der Planung einer Kampagne sollte zu Beginn – also in der Briefingphase – feststehen, mit welchen schon erlebten bzw. künftig erlebbaren Sinneseindrücken ein Kauf oder eine Buchung verbunden sein könnten.
Abbildung 4: Marktforschung. Das Ohr am Kunden, seinen Fragen, Wünschen – und ja: auch an seinem Frust.
Es braucht eine Copy-Strategie – und eben nicht „freies, kreatives Assoziieren“
Einer der Gründe, warum viele Briefings nicht geschrieben werden, ist die Mühe, die eine Copy-Strategie (Copy Strategy) macht.
Bevor der Werbekunde die Werbeagentur zum Briefing einlädt, muss der Kunde erst einmal intern klar formulieren können, was der [einzigartige] Kundennutzen (USP) ist. Später, in der Online-Kampagne oder Werbekampagne kann (und sollte) dann herausgearbeitet und bewiesen werden, wer [Zielgruppe] warum bzw. wann [Problembeschreibung] welchen Nutzen hat. Zuerst aber heißt es: in sich gehen. Damit ein Auftrag entsteht, der so einzigartig ist wie das Produkt und später die Kampagne.
Ein Besuch auf einem Spielplatz verdeutlicht den Sinn:
Um den Sinn von Briefings zu verstehen, lohnt sich ein Besuch auf dem Spielplatz
Briefing-Beispiele aus dem Privatleben: Stellen wir uns irgendeinen Spielplatz in vor. Wir gehen kurz vor dem Abendessen hin. Setzen uns auf eine (gedachte) Bank. Die echten Sitzbänke sind (quotenmäßig politisch korrekt verteilt) von jungen Müttern und Vätern besetzt, die sich zwischen halbvollen Saftflaschen, Schnullern im Sand und Gesprächen über den anstehenden Herbsturlaub anschicken, ihre Nachkommen zum Heimgehen zu bewegen.
Typische Spielplatz-Handlungsaufforderungen (Call-to-Action / CTA) im O-Ton:
Das führt nicht nach Hause.
Ein klares Briefing wäre hier:
„Wir gehen in 10 Minuten nach Hause. Packt jetzt die Spielsachen zusammen und verabredet euch für morgen.“ Ein erreichbares Kommunikationsziel wäre hier: Mein Kind hört und versteht, dass wir in Kürze nach Hause gehen. Sobald der Zeitpunkt erreicht ist, verlässt es mit mir den Spielplatz. Es vertraut darauf, dass wir morgen wiederkommen.
Aber so ist es nur selten.
Mein Büro, in dem ich in Frankfurt als Konzeptioner und Texter arbeite, zeigt zu einem Spielplatz hin. Ich genieße das, weil dadurch immer Leben in meinem Leben ist. Und so werde ich im Sommer bei offenem Fenster oft auch unfreiwilliger Zeuge ungenügender Briefings, der Irritationen und Fragen, die sich aus ihnen ergeben.
Es kommt zu Ungeduld durch ständiges Nachverhandeln von Kindern. Wenn eben die Frage gestellt wird „Kommst du jetzt, bitte?“, dann ist ein „Noch nicht“ oder „Später“ oder „Nein“ die logische Konsequenz – und eine berechtigte noch dazu.
In der schon oft erlebten Geschichte auf dem Spielplatz passiert das, was in weiten Teilen dem Verhalten von Zielgruppen entspricht. Die Ereignisse auf dem Spielplatz (etwa die Weigerung von Kindern, den Spielplatz mit Erziehungsberechtigten zu verlassen) ähneln den am wenigsten erwünschten Kundenreaktionen, z. B. im Online-Marketing die Weigerung von Besuchern, auf einer Website zu bleiben und zu konvertieren. Weil nicht klar ist, was zu tun ist. Weil es schon im Auftrag an die Agentur nicht klar war.
Wann immer kein Briefing oder eine unklare Handlungsanleitung im Spiel sind, kann es zu einer Reaktion kommen wie „Noch nicht, später oder nie“. Erwachsene neigen genauso zu Trotzhaltungen wie Kinder. Freilich unter anderem Namen: Im Digitalen Marketing heißt es:
Briefings gibt es nicht nur von Kunden in Richtung Werbeagenturen und von diesen zu Kreativen wie Textern, Fotografen und Designern.
Abbildung 5: Digitales Marketing und analoges Arbeiten. Skizzen und Reduktionen führen ans Ziel.
Irgendwas mit Kundennutzen und Garantie
Alles schon erlebt, hier unsortiert zitiert:
Und so geht es munter weiter. Bis man eine Aufgabenstellung hat, die theoretisch zu jedem Anbieter passen könnte. Auf jeden Fall zu jedem Anbieter in einem Marktsegment. Unfreiwillig und unweigerlich wird verwischt und verwaschen, was eigentlich eine klare Markenidentität, eine Marke eben, sein müsste, damit eine Online-Marketingkampagne eine eindeutige Aussage erhält.
Im Online Marketing sind die Agenturbriefings oft noch magerer als im klassischen Marketing (soweit es heute überhaupt noch klassisches Marketing gibt).
Warum das?
Abbildung 6: „Irgendwas mit Urlaub“ oder: Schwall ins All. Das kommt davon, wenn Content produziert werden soll.
Im Online-Marketing scheint alles möglich zu sein. Rasend schnell und vergleichsweise kostengünstig. Dieses schnelle Geschäft hat vieles verkürzt – und damit auch die Denk- und Konzeptionsprozesse beschnitten.
Wenn ich als Konzeptioner einen neuen Auftrag im Online-Marketing annehme, setze ich mich mit dem Kunden zum Briefinggespräch zusammen. Mindestens per Videokonferenz.
Im ausführlichen Gespräch können wir auch unsortiert gemeinsam ins Unreine denken, auf dem Papier skizzieren, und der Kunde sieht das, nimmt es auf. Man entwickelt es gemeinsam weiter, bis ein Format entstanden ist, das sowohl im digitalen Marketing als auch im Direktmarketing oder im klassischen Marketing anwendbar ist. Briefinggespräche haben zudem den Vorteil, dass man das Gegenüber dabei sieht. Also außerhalb des Mediums (Bildschirm) miteinander in Kontakt kommt. Das bringt eine hilfreiche Außenperspektive ins Thema.
Übersetzt man das schnelle Veröffentlichen von oberflächlichem Content testweise auf Fernsehminuten zur Prime Time oder ganzseitige Anzeigen in der Tageszeitung, wird der Unsinn dieser Rechnung deutlich. Dort käme keiner auf die Idee, 15 TV-Minuten eben mal so als Test laufen zu lassen.
Zu allen Themen, die beim Ryte-Content-Cup angeboten wurden, gibt es konkrete Briefingfragen. Es sind Fragen, die ungemein hilfreich sein können auf dem Weg zu den Ergebnissen der Agenturarbeit. Hier eine Auswahl:
Was Optimierung ist und warum sie sich auszahlt, wurde schon vor langer Zeit beschrieben: „Die Änderungen verdanken wir unseren Erfahrungen in der Herstellung und keineswegs einem neuen Grundprinzip: woraus ich die wichtige Lehre ziehe, dass es besser ist, alle Kraft einzusetzen, eine gute Idee zu vervollkommnen, statt anderen, neuen Ideen nachzujagen.“ Henry Ford, Erfolg im Leben. Mein Leben und Werk.
Für ein Briefing zum Thema Suchmaschinenoptimierung stellt sich also unter anderem die Frage, ob ein Content zur Optimierung geeignet ist – also bereits eine „gute Idee“ enthält – oder ob eine Nachbearbeitung erforderlich wird. Der alte Klassiker „Wir wollen auf Seite 1“ ist natürlich sinnbefreit – so lange nicht geklärt ist, wofür eine Position vorne in den SERPs gut sein soll.
Briefingfragen bei Mobile Marketing, Conversion-Optimierung und Webanalyse
… und wenn ja:
Solche Fragen führen zu Diskussionsstoff, und das ist gut so. In der bewusst eingenommenen Position der Nichtwissenden entsteht Raum für Ideen und Antworten.
Abbildung 7: A Briefing a Day keeps the Bounce Rate away – Alleinstellungsmerkmale und Customer Benefits herausarbeiten.
Der Kunde gibt der Werbeagentur ein Briefing: das Kundenbriefing. Im Idealfall enthält bereits dieses erste Briefingdokument:
Ziel sollte eine Kampagne im Digitalen Marketing sein, die mit einer klassischen Werbekampagne / Imagekampagne / PR-Kampagne synchronisiert werden kann
Veröffentlicht am 24.01.2018 von Johannes Faupel.
Johannes Faupel ist freier Autor, Konzeptionstexter und systemischer Berater (SG/IGST). Im Marketing (Spezialisierung Printwerbung und Onlinemarketing B2B / D-A-CH) verwandelt er trockene Produkt- und Dienstleistungsbeschreibungen in merkfähige Vorteilsaussichten. Als Systemiker mit Praxis in Frankfurt arbeitet er mit offenen Einladungen zur Aufmerksamkeitsfokussierung für die erklärten Anliegen seiner Klienten.
Sichere Dir die Poleposition in SERPs, mit der Platform die ausschließlich Google-Daten nutzt.
Demo buchen