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Content ist tot – es lebe der Content!

Unter SEOs entzündet sich immer wieder die Debatte darüber, welche SEO-Faktoren die wichtigsten sind. Insbesondere der Content gerät immer wieder in den Fokus. Textlänge, Textstruktur, Keywords – worauf kommt es letztlich an, um gut zu performen? Oder wird die Wichtigkeit von durchoptimierten Texten auf Websites gnadenlos überschätzt? Steigen wir in die Debatte ein.

Wie sich die Bedeutung von “Text” auf Websites verändert hat

Die letzten zehn Jahre waren für Texter und Redakteure eine erfahrungsreiche Zeit. Ein typisches Briefing zu Beginn der 2010er-Jahre las sich dann häufig so:
"Wir brauchen einen Text mit 300 Wörtern. Das Hauptkeyword lautet ‘handykaufen günstig ohne vertrag’. Das Keyword sollte mindestens zehn Mal im Text vorkommen."
Welche Art von "Texten" auf der Basis derartiger Briefings entstanden waren, dürfte klar sein.

Spätestens nach dem ersten wilden Auftritt des "Google Pandas" 2011 war erst einmal Schluss mit keywordlastigen Texten. Dementsprechend änderten sich auch die Briefings. Im Fokus stand auf einmal der "Mehrwert" und die Keywordkombinationen sollten fortan "möglichst natürlich" in die Texte eingebunden werden. Aus ästhetischer Sicht war das schon ein Fortschritt.

Welche Aufgabe hat der Text auf einer Website?

Texte auf Websites lassen sich grundsätzlich auf zwei Basisfunktionen reduzieren: verkaufen und informieren. In einem Online-Shop kann ein Text den entscheidenden Push geben, damit ein Besucher zum Käufer wird. In komprimierter Form ist es der Call-to-Action, der vielleicht noch durch einen Button hervorgehoben wird ("Jetzt kaufen!").
Auf Ratgeber-Seiten, Nachrichtenseiten, Blogs oder Websites ohne direkte kommerzielle Absicht ist Informationsvermittlung die wichtigste Aufgabe des Textes.
Selbstverständlich gibt es auch eine Mischform dieser beiden Grundfunktionen von “Online-Texten”.

Neben den primären Aufgaben können Texte natürlich auch Emotionen unterschiedlichster Art wecken. Welche Gefühle ein Text hervorrufen soll, hängt wiederum davon ab, welchen Zweck er hat. Je nach Zielgruppe und Kontext sollten zum Beispiel Verkaufstexte positive Emotionen wecken, um die Kaufbereitschaft oder Markenbindung zu stärken.

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Abbildung 1: Startseite beim Startup thermondo. Hier informiert der Text, fordert den Leser auf und weckt Bedürfnisse

Fassen wir zusammen: Texte können vielfältige Aufgaben auf einer Webseite übernehmen. Wie das mit SEO zusammenhängt, klären wir noch.

Lang oder kurz ist keine Qualitätsfrage

Eine gängige Frage von Einsteigern ins Texten fürs Web, aber auch von Kunden lautet: Wie lang soll der Text auf der Website sein?
Für Texter ist die Antwort auf diese Frage nicht immer einfach. Hat der Kunde von dem "neuen Trend bei Google" gehört, dass die Texte "mindestens 1.000 Wörter" haben sollten, werden vor allem Longcopies beauftragt. Steht beim Kunden hingegen vor allem das Design im Vordergrund, kann es schon mal lauten, dass “100 Wörter reichen müssen”, unabhängig davon, wie komplex der zu vermittelnde Inhalt ist.

Und wie sieht es mit der Textlänge aus SEO-Sicht aus? Tatsächlich gab es vor einiger Zeit den Trend, möglichst lange Texte zu posten, um ein Thema aus möglichst allen Perspektiven zu beleuchten. Während eigentlich jeder SEO sein Mantra "Gut für Google ist, was gut für Nutzer ist" kennen sollte, wurde die Prämisse gerade bei Texten für Websites gerne über Bord geworfen. Ganz gleich, ob es um den Kategorietext für Sneaker ging oder um einen Ratgeber zur Geldanlage mit Aktien: die Texte sollten vor allem lang sein.

Aber: Die Textlänge allein ist kein Zeichen für Qualität. Denn letztlich ergibt sich die optimale Textlänge aus dem Zweck, den der Text erfüllen soll. Handelt es sich um einen informationsorientierten Text und es soll ein einfacher Sachverhalt erklärt werden, können schon 50 Wörter ausreichen, um das Nutzerbedürfnis zu erfüllen. Ein längerer Text wäre in diesem Fall eher ein negatives Merkmal.

Es gibt sogar die Möglichkeit, dass eine Webseite ganz ohne zusätzliche Textelemente Top-Rankings erzielt. Eindrucksvolle Beispiele für gut rankende Seiten ohne wirklich ernst zu nehmende Textelemente liefert Amazon. Es ist natürlich einfach, die größte Shoppingplattform der Welt als Beispiel heranzuziehen und man könnte argumentieren, dass Amazon seeehr viel Trust und enorm viele eingehende Links hat. Aber dennoch: amazon rankt einfach für viele Produkte, ohne dass “Kategorietexte”, “SEO-Texte”, “Beschreibungstexte” etc. platziert werden. Es ist also möglich. Und warum: Weil die Zielseite offensichtlich ein wichtiges Nutzerbedürfnis auch ohne Text erfüllen kann. In diesem Fall: Ein Produkt zu kaufen.

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Abbildung 2: Die Amazon Kategorieseite rankt auch ohne Begleittext für Rasenmäher in den Top3 bei Google.

Zusammengefasst: Ein Text sollte immer so lang sein, dass er alle wichtigen Fragen, die ein Nutzer zum “Thema” der URL hat, am besten von allen Websites im Netz beantwortet.
Ein guter Beleg für die Wichtigkeit von Fragen sind Googles Answerboxen zu einem Thema. Im Grunde liefert Google Textern mit der Reihe an Fragen einen guten Hinweis auf zwei Dinge: Zum einen zeigt Google, wie die Suchmaschine selbst ein Thema versteht und aufgliedert. Zum anderen zeigt die Suchmaschine, wie Nutzer mit einem Thema umgehen und weiterführende Fragen stellen, um das Thema und Hintergründe zu verstehen. Für Texter sind deshalb W-Fragen für die Contenterstellung sehr wichtig.

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Abbildung 3: Answerbox von Google zur Suchanfrage “suchmaschinenoptimierung”.

Die Grenzen von WDF*IDF

Als "Geheimformel" für Webtexte hat sich die WDF*IDF-Formel etabliert. Für viele Texter war die Termfrequenz mit ein Grund, warum Texte länger wurden. Schließlich gibt die "Kurve" des WDF*IDF-Tools vor, welche relevanten Begriffe noch im Text zu einem spezifischen Keyword enthalten sein müssen. Um den Text lesbar zu halten, muss er dann eben länger werden.

Nun könnte man sich fragen, ob durch gut rankende, längere Texte im Zusammenspiel mit WDF*IDF-Tools schließlich ein Kreislauf entstand, der immer häufiger zu langen Texten geführt hat, auch wenn die Themen derart lange Texte überhaupt nicht erfordern.

Ein Beispiel: Ein WDF*IDF-Tool analysiert den Content der zehn oder 20 am besten bei Google rankenden Webseiten zu einem bestimmten Keyword bzw. einer Keywordkombination. Unabhängig davon, ob die bestplatzierten Seiten sinnvolle Texte beinhalten oder nicht: Wenn diese Texte sehr lang sind, spiegelt sich die Textlänge auch in den Ergebnissen der Tools wieder. Das hat zur Folge, dass alle Texter, die mit ihren Texten auch gut ranken wollen, ebenfalls viele Wörter schreiben, um die "Kurve" zu erreichen und alle "relevanten" Keywords unterzubringen.

Was sagt uns Google?

Google gibt Dir bereits einige praktische Antworten auf die Frage nach sinnvollen Texten. Die Suchmaschine arbeitet bereits mit Textfragmenten. Mit Featured Snippets löst Google das Problem, schnelle Antworten auf ein Nutzerbedürfnis liefern zu müssen.

Wenn es jedoch um verkaufsfördernde Texte geht, werden keine entsprechenden Featured Snippets angezeigt. Allerdings arbeitet Google auch bei verkaufsorientierten Texten mit Featured Snippets, und zwar bei Vergleichen oder Tests.

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Abbildung 4: Featured Snippet zu einem Test für Akku-Rasenmäher.

Für Texter und Webmaster ist das ein weiterer Hinweis darauf, dass die Textlänge weitaus weniger wichtig ist, als

  • die Struktur des Contents.

  • die Textmenge des strukturierten Contents.

  • die Eigenschaft des Textes, ein Nutzerbedürfnis zu erfüllen und Fragen zu beantworten.

Wie lang sollen Webtexte dann jetzt sein?

Die Texte auf Deiner Website sollten immer so lang sein, wie sie das Nutzerbedürfnis erfüllen und dem Nutzer einen Mehrwert liefern. Dieser Mehrwert wirkt sich in Worten unterschiedlich aus. Ein umfassender Ratgeber oder ein How-to-Artikel kann problemlos mehr als 1.000 Wörter umfassen, während ein Text für eine Shopkategorie auch mit knapp 100 Wörtern ausreichend sein kann.

Was Du tun solltest

Um zu prüfen, ob Deine Webseiten das Nutzerbedürfnis treffen, solltest Du unbedingt die wichtigsten Kennzahlen wie Absprungrate in Kombination mit Verweildauer im Blick behalten. Beachte dabei auch das Scroll-Tracking in Google Analytics – denn eine lange Verweildauer lässt nicht gleich darauf schließen, dass Dein Text auch gescrollt wurde. Textest Du für einen Online-Shop, spielen natürlich auch Conversions eine wichtige Rolle bei der Beurteilung Deiner Texte.

Stellst Du fest, dass Du trotz guter Rankings nur wenige Nutzer hast, die länger auf Deiner Seite bleiben oder schnell abspringen, kann es sein, dass Dein informierender Text nicht die Informationen enthält, die ein Nutzer bei Dir sucht. In diesem Fall solltest Du den Content unbedingt nachbessern.

Stell Dir Fragen, die ein Nutzer an das “Thema” Deiner URL haben könnte. Versetze Dich in die Rolle des Nutzers und überlege, welche Antworten Du von Deiner Seite benötigst und wie Du diese liefern kannst.

Wenn Du das tust, wirst Du schnell feststellen, dass Text nicht die einzige Möglichkeit ist, um eine Lösung für ein Problem zu liefern. Und Du wirst merken, dass nicht die Textlänge entscheidend ist, sondern die Qualität.

Was Du beachten solltest, um ein wirklich gutes Contentpiece zu erstellen, haben wir hier in 7 praktischen Tipps für Dich gebündelt.

Wann ist Textcontent überschätzt?

Sicherlich spielt Text als Teil des Contents auf Deinen Webseiten eine zentrale Rolle. Allerdings wird diese Rolle leicht überschätzt. Und das gilt dann, wenn alle weiteren Faktoren der Suchmaschinenoptimierung vernachlässigt werden. Ist Deine Website zum Beispiel zu langsam, kann auch ein noch so gut strukturierter Text dieses Manko nicht beheben.

Betrachte Texte ebenso wie Meta-Elemente, kurze Ladezeiten, Bilder und andere OnPage-Faktoren ganzheitlich. Erst das Zusammenspiel aus wirklich guten Texten mit exzellenter Technik und einer funktionierenden Website sorgt für Erfolg in den SERPs.

Wie siehst Du das? Wie wichtig sind Texte Deiner Meinung nach für Websites? Und welche Merkmale sind in Deinen Augen bei Webtexten besonders wichtig? Wir freuen uns über Deinen Kommentar!

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Veröffentlicht am May 3, 2020 von Martin Philipp