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Guter Content ist mehr als nur „ein Text“

“Du brauchst mehr Content!“ Klar, also los: Schreib 500 Wörter über “Visitenkarten bedrucken“, “Westernstiefel“ oder die Ukraine-Krise. Schreib sofort los, wir haben ja keine Zeit und kein Geld zu verlieren.

ABER: Wer sich sich die Planung beim Content spart, wirft reichlich Zeit und Geld aus dem Fenster.

An alle da draußen, die noch so Ihren Content erstellen: Für wie blöd haltet Ihr Google denn eigentlich? Im größten Datensammler-Konzern diesseits der Milchstraße sitzen unglaublich kluge Köpfe - doch wenn sie auf eure Webseite kommen, dann zählen sie die Wörter, suchen nach WDF*IDF-Keywords und fertig? Ach kommt! Ihr habt doch sicher auch schon einmal was vom Panda-Update gehört, oder? Und wieso glaubt Ihr dann immer noch, das Content vor allem lang und voller Keywords sein sollte? Denn genau das ist schon lange nicht mehr der Fall.

Panda zwingt uns, die Perspektive zu ändern: Statt Besucher und Conversions zu zählen, sollten wir uns damit beschäftigen, was die User eigentlich wollen, nein BRAUCHEN! Wenn sie sich ein Paar Westerstiefel kaufen wollen: Glaubt Ihr im Ernst, dass sie dann Lust auf 500 Wörter über Steigbügel, Sattelfestigkeit und Rodeosport lesen möchten? Und wer nach der Ukraine-Krise sucht - wird der wohl wissen wollen, dass es in der südöstlichen Steppenzone der Ukraine nur 250 Millimeter im Jahr regnet? Wohl kaum. Wenn Ihr aber eurem Texter sagt, dass Ihr "einen Text" über „xy“ oder „yx“ braucht, wird er Euch genau das liefern. Und Ihr habt euer Geld verschwendet.

Merke: Das Internet ist kein gigantischer Text-Corpus - sondern der Ort, an dem wir unsere Informationen finden. Was auch immer wir gerade suchen.

Und das kann verschiedene „Dimensionen“ haben:

1. Umfang

2. Aktualität

3. Richtung

Es gibt also verschiedene Textsorten - auch im Internet. Ganz klassisch gedacht sind das: Nachrichten, Ratgeber, Tests, Reportagen, Kommentare und so etwas wie Blog-Beiträge. Aber, ich weiß: Die größten Textbestellungen umfassen die von Redakteuren gefürchtete Textsorte „Produktbeitrag“ oder gar „Kategorieseite“ in Shops. Was ist das eigentlich? Was kann man denn zu Cowboystiefel schreiben? Gehen wir das mal systematisiert an. Hier eine Liste der üblichen Textsorten im Web:

Abbildung 1: Eine Nachricht: Wie lang muss diese eigentlich sein?

1. Die Nachricht: Sie meldet - kurz und knapp - was Neues passiert ist. Eine Waffenruhe in der Ukraine oder ein neues Feature im iPhone. „Kurz und knapp“ heißt NICHT 500 Wörter - sondern, puh, je nach Meldung so 80 bis 150 vielleicht. Wenn ein wenig Hintergrund dazu kommt, vielleicht 200. Und wenn du unbedingt mehr schreiben willst, fange mit der „Nachricht“ an und verschiebe den Hintergrund nach hinten. Nur, bedenke: Mit einer Nachricht wirst du für ein generisches Keyword (zum Glück) nicht mehr in vier Monaten ranken. Andererseits: Für ein sehr dynamisches Thema (mit viel Bewegung in den SERPs) wirst du mit keinem statischen Inhalt vier Monate lang ranken...

2. Der Ratgeber: Hier kommt es auf die Komplexität des Themas an. Wie man im Mac die automatische Rechschreibkorrektur ausschaltet, kann man auch in unter 100 Wörter erklären. Ein Ratgeber für die Konfiguration eines Apache-Servers dagegen kann gar nicht lang genug sein. Tick? Ein guter Beitrag ist immer genau so lang, wie der Inhalt ihn trägt! Nicht kürzer - aber auch kein Wort länger. Ob dein Ratgeber in einem Jahr noch auf Platz eins steht, hat jedenfalls nichts mit der Textlänge zu tun, sondern damit, ob die User damit zum Ziel kommen. Und das schaffen sie mit einem gut strukturierten kurzen Text besser als mit einer Bleiwüste. Und, machen wir uns nichts vor, Google kann messen, ob ein Nutzer nach einer Suchanfrage wieder zurück in die SERPs springt und von neuem sucht. Wie gesagt: In Mountain View sitzen eine Menge kluger Leute.

Abbildung 2: Kann gar nicht lang - und strukturiert - genug sein: Ein Test.

3. Der Testbericht: Der ist immer nur so lange haltbar, wie die Produkte die getestet wurden. Und er sollte so tief und objektiv wie möglich sein. Wofür ist das Produkt geeignet? Ist es haltbar? Wie funktioniert die Bedienung? Nun ja: Kann das objektiv sein? Wie kann das gehen? Nun, als Tester habt Ihr ja immer eine subjektive Perspektive. Aber wenn Ihr die Testkriterien offen legt und dem Leser die Möglichkeit gebt, diese selbst zu gewichten, wird alles gut. Glaubt mir.

4. Kommentare: Eine dankbare Textsorte - wenn man es gut macht. Denn der Leser möchte sich ja gerne „zuhause“ fühlen, merken, dass man ihn versteht. Warum also nicht einmal eine klare Position einnehmen? Die Länge ist natürlich wieder dem Thema und der Schreibfertigkeit des Autors angepasst.

5. Blogbeitrag: Schon klar, dass WordPress das am häufigsten eingesetzte Redaktionssystem der Welt ist. Aber ist jede WordPress-Instanz deshalb ein Blog? Nein! Manchmal macht Ihr damit ein Magazin, manchmal eine einfache Firmenwebseite oder - manchmal - halt einen Blog. Falls Ihr einen Blog machen wollt, sollte dieser persönlich und meinungsstark sein. Sonst wird das nichts mit Kommentaren, Verlinkungen u.s.w.. Wenn Ihr das nicht könnt, weil zum Beispiel Konzernrichtlinien dagegen sprechen, macht halt ein Magazin.

Abbildung 3: Rotes Velourleder mit Zierstichen und - muss man viel mehr wissen?

6. Produktbeitrag: Was kann man denn zum Buffalo Westerstiefel sagen? Dass er halbhoh und aus rotem Velourleder ist, im Vintage-Look (used-Optik) daher kommt und mit lustigen Zierstichen verschönert wurde. Ach ja, er hat einen Reißverschluss. Denkt bei solchen Produkten immer an Material, Design, Verarbeitung und so ein Zeugs. Manchmal hilft es auch, ein solche Produkt mit direkten Konkurrenten zu vergleichen. Und häufig sagt ein Bild mehr als 1000 Wörter. Bring halt alles auf die Seite, was man im Laden erfragen würde oder was einem durch den Kopf geht, wenn man vor einem Schuhregal steht. Das soll alles sein? Ja, klar! Es geht um Conversion, also um genau das, was ein Käufer für seine Entscheidung braucht.

Abbildung 4: Ach? Ein Druckkugelschreiber besteht aus einer Mine und einem Gehäuse? Ist ja (gar nicht) interessant...

7. Kategoriebeitrag: Auch hier geht es darum, was die Käufer für eine Entscheidung benötigen. Stelle dir vor, du gehst in einen Laden und stehst vor dem Regal mit den mobilen Festplatten. Was möchtest du wissen? Was benötigst du, um eine Entscheidung zu treffen? Und, glaube mir: Wenn du das alles ordentlich in deinem Text erzählst, wirst du die wichtigen Keywords automatisch inside haben. Wenn du daran zweifelst, mach halt eine WDF*IDF-Analyse. Ach ja: Bei komplexen Produkten kann so eine „Kaufberatung“ etwas länger sein. Bei einfachen Produkten ist sie halt kürzer. Wenn du aber 500 Wörter über die mögliche Beschaffenheit und die Kulturgeschichte von Bleistiften erzählst, klingt das nicht nur nach Spam - sondern das ist Spam. Legitime Gegenfrage: Warum macht Zalando in der linken Spalte oft so seltsamen Text? Nun, Vermutlich, weil sie es nicht anders wissen. Würde da echte Beratung stehen, vielleicht könnte Zalando dann irgendwann schwarze Zahlen schreiben...

Abbildung 5: Guter Content

Expertenfrage an die Profis unter Euch: Was verbindet die Nachricht, den Kommentar, den Ratgeber und den Blogbeitrag einerseits mit dem Testbericht, dem Produktbeitrag und dem Kategoriebeitrag? Ganz einfach: Die erste Gruppe funktioniert prima mit „informational Keywords“, also Suchbegriffen der Wissenssuche. Und die zweite Gruppe vereint die Antworten auf „transactioinal“ Suchanfragen. Diese beiden Suchmotivationen sollten klar voneinander getrennt werden. Wenn Ihr etwas zu verkaufen habt, dann liegt Ihr mit einer News wirklich schief. Und mit Antworten auf Wissensfragen werdet Ihr kaum etwas verkaufen.

Alles klar? Natürlich gibt es noch reichlich andere Textsorten im Web. Das hier waren die vielleicht wichtigsten. Bedenkt bei allem was Ihr schreibt (oder schreiben lasst), dass es nicht um „irgend einen Text über“ geht. Überlegt Euch vorher, was jemand, der nach Cowboystiefel oder nach dem Ukraine Konflikt sucht, eigentlich wissen und wie Ihr diesen Wunsch am besten befriedigen könnt.

Über die Strukturierung von Inhalten und andere gute Eigenschaften von Beiträgen werde ich hier ein anderes mal berichten. Gewöhnt Euch erst einmal an die Textsorten. Bitte!

Wie klingt „ansprechende Inhalte einfach erstellen“?

Veröffentlicht am Mar 10, 2015 von Eric Kubitz