Minimum Viable Product

Ein Minimum Viable Product (MVP; deutsch: brauchbares Produkt mit minimalen Eigenschaften) ist eine Version eines neuen Produktes oder einer Dienstleistung, die zum Zwecke des Nutzerfeedbacks mit geringem Aufwand erstellt wird. Das MVP ist die erste Iteration im Lebenszyklus eines Produktes, das von Start-Ups und Unternehmen, die Lean Management und agile Methoden wie die Lean Start-Up-Methode einsetzen, hergestellt wird. Häufig sind es Prototypen, Mock Ups oder Produkte, die zunächst nur die wesentlichen funktionalen Features beinhalten. Produkte werden jedoch auch inszeniert, um einen Bedarf zu erzeugen.[1]

Im Verlauf einer Iteration besteht das Ziel des Minimum Viable Products darin, wertvolles und maximales Feedback der möglichen Kunden zu bekommen, um das Produkt und den Customer Value in den folgenden Iterationen zu verbessern. Die Bedeutung der Minimum/ Maximum-Gleichung bezieht sich auf den Aufwand, der für die sogenannten Learnings (deutsch: Einsichten) nötig ist. Denn es geht nicht darum, ein minimales Produkt zu erschaffen, sondern darum, mit geringem Aufwand möglichst viel über das Produkt, die Kunden, das Geschäftsmodell oder den anvisierten Markt herauszufinden und einen Zustand zu erreichen, der als Product-Market-Fit bezeichnet wird: Es besteht Bedarf an einem speziellen Produkt und dieses erfüllt die an das Produkt gestellten Kundenanforderungen mindestens in einem Punkt oder voll zufriedenstellend.

Allgemeine Informationen zum Thema

Der Begriff Minimum Viable Product wurde 2001 von Frank Robinson geprägt und in den Folgejahren von Eric Ries, Steve Blank und weiteren Gründern insbesondere im Start-Up-Umfeld und bei technologischen Innovationen verwendet.[2] Entsprechend unterscheiden sich die Definitionen und beziehen nicht nur technische Produkteigenschaften, sondern auch wirtschaftliche Aspekte und Marketing-Perspektiven mit ein. Der Hintergrund war, dass das Deployment von Software oder digitalen Produkten stets mit enormen Kosten und somit mit Risiken verbunden ist. Bei falschen Annahmen kann ein Softwareprodukt scheitern, weil die potenziellen Kunden es nicht annehmen. Die Entwicklung hat jedoch zu diesem Zeitpunkt häufig schon viele Ressourcen verschlungen.

Das Minimum Viable Product soll sowohl die Kosten als auch die Risiken minimieren, indem das Produkt gegen die Annahmen in einer Zielgruppe getestet wird. Ähnlich wie beim User Testing in der Softwareentwicklung wird es in einen kleinen Kreis von möglichen Kunden veröffentlicht. Allerdings ist dies kein Testing im eigentlichen Sinne, sondern ein realer, vorsichtiger Testlauf in der Praxis, um nicht zu viele Ressourcen zu binden oder zu verschwenden – aber gleichzeitig die Entwicklung voranzutreiben. Dieser Testlauf hat zum Ziel, Erkenntnisse von potenziellen Kunden und Early Adopters zu sammeln. Dadurch wird verhindert, dass ein umfangreiches Produkt für einen Markt hergestellt wird, an dem kein Bedarf existiert. Die Erkenntnisse dienen im weiteren Verlauf der Iterationen zur Verbesserung des Produktes und zur Anhäufung von Wissen über Zielgruppen, Markt und das Geschäftsmodell.[3]

Funktionsweise

Die wesentlichen Schritte bei der Erstellung eines MVP:[4]

  • Kernnutzen herausarbeiten (Value Proposition)
  • Produkt entwickeln (Build)
  • Angebot und Nutzen kommunizieren, Annahmen testen (Testing)
  • Ergebnisse einholen (Customer Value)
  • Erkenntnisse in neue Iterationen einfließen lassen (Learnings)
  • Neue Iterationen (Loop)

Dies kann vereinfacht mit „build/measure/learn/loop“ beschreiben werden. Je nachdem ob sich ein MVP auf Produkte, Dienstleistungen, einzelne Produkteigenschaften oder ganze Geschäftsmodelle bezieht, kann das Produkt ein Prototype, Mock Up, Smoke Test, eine spezielle Web Applikation oder ein sogenanntes Business Modell Canvas sein, das eine Blaupause für Start-Ups aus Sicht des Lean Managements darstellt. Zudem kann ein Testing an die Erstellung angegliedert werden, um Effektivität und Wirkung von MVPs unterscheiden und skalieren zu können. Daraufhin wird ein MVP entweder verworfen oder weiter entwickelt.

Praxisbezug

Um mit einem Minimum Viable Product an die Öffentlichkeit gehen zu können, sind unterschiedliche Voraussetzungen notwendig. Zum einen muss die Bereitschaft vorhanden sein, sich mit agilen Methoden auseinanderzusetzen. Das MVP ist ein Begriff, der nur vor dem Hintergrund von Lean-Management-Methoden sowie Lean Start-Up Methoden Sinn ergibt. [[Wasserfallmodell |Herkömmliche Entwicklungsansätze]] sind nicht auf dieses Konzept ausgelegt.

Unternehmen müssen zudem bereit sein, von ihren Kunden zu lernen und zu Beginn weniger auf den ROI zu schauen – als vielmehr auf das Produkt und den tatsächlichen Bedarf am Markt. Ein MVP ist nicht unbedingt ein billiges Produkt, es bindet ebenfalls Ressourcen von den Kunden zu lernen.

Zum anderen ist der Launch eines Minimum Viable Product ein Teil einer „Selbstfindungsphase“, deren Kern der Nutzen des Produktes für die Kunden ist. Dieser Kernnutzen (engl.: Value Proposition) muss identifiziert werden, bevor das Produkt veröffentlicht wird. Andernfalls können die Eigenschaften, Vorteile und Anwendungen nicht kommuniziert werden. An dem Prozess sind deshalb verschiedene Abteilungen wie Entwicklung, Marketing, Vertrieb und das Management beteiligt und die Organisationsstrukturen sind relativ flach.

Bedeutung für das Online Marketing

Die Herangehensweise im Lean Management, mit dem geringsten Aufwand den größtmöglichen Effekt zu erzielen, ist strategischer Natur und kann problemlos auf andere Disziplinen angewendet werden. Zwar gilt es gerade für Start-Ups schnell profitabel zu werden und den Return on Investment zu erhöhen. Aber die möglichen Anwendungen dieses Ansatzes bleiben nicht auf die Steuerung und das Projektmanagement in der Softwareentwicklung beschränkt. Ansätze wie Lean Marketing, Lean Content Marketing oder Growth Hacking bedienen sich beispielsweise der Methoden, die Eric Ries in seinem Buch „The Lean Startup“ beschrieb.[5]

Während Lean Marketing und Lean Content Marketing das Testing und das Customer Feedback ins Zentrum stellen, fokussiert sich Growth Hacking zunächst auf den Product-Market-Fit, um anschließend datengetriebenes Prototyping zu betreiben. Bei allen Ansätzen ist stets die Rückkoppelung von Bedeutung: Nur wenn potenzielle Kunden sich für ein Produkt interessieren, geben sie Betrag X dafür aus. Und nur wenn sie Betrag X ausgeben würden, lohnt sich die weitere Produktentwicklung. Gerade Start-Ups sind darauf angewiesen, auf ihre Kunden zu hören und diese Daten aktiv in die Entwicklung einzubringen. Die Maxime „deploy first, code later“ kann ebenfalls auf andere Aspekte im digitalen Marketing angewendet werden – etwa Anzeigenschaltung, Webdesign oder SEO.[6]

Einzelnachweise

  1. Minimum Viable Product (MVP) .productplan.com. Abgerufen am 17.06.2021
  2. 5 Fragen zum MVP computerwoche.de. Abgerufen am 17.06.20212
  3. MVP – Minimum Viable Product startplatz.de. Abgerufen am 17.06.2021
  4. Das Minimum Viable Product: So erstellen Sie als Start-up Ihr MVP fuer-gruender.de. Abgerufen am 17.06.2021
  5. Modernes Online-Marketing: Schritt für Schritt zum Growth-Hacker t3n.de. Abgerufen am 17.06.2021
  6. Lean Marketing – Geschwindigkeit schlägt Qualität marketinginstitut.biz. Abgerufen am 17.06.2021

Weblinks