Holistischer Content mit Storytelling: OnePager beflügeln die Bullshit-Bingo-Gehirnareale kreativer Online Marketer.
Das mag nerven - aber dafür können die OnePager eigentlich nichts. Denn diese teilweise sehr langen und umfangreichen Webseiten sind ein großartiges Instrument. Man sollte sich nur vorher darüber im Klaren sein, wofür sie am besten eingesetzt und wie sie gebaut werden. Hier ein paar Ratschläge dazu.
Das in wenigen Jahren nur noch „holistische“ (vulgo: „umfangreiche, lange") Webseiten eine Chance bei Usern und bei Google haben, möchte ich bezweifeln. Auch, wenn das einige so sehen. Eine ordentliche Produktseite für Bleistifte oder News wird weiterhin schön kurz und knapp bleiben. Und die Startseite Deines Shops muss nicht alle Aspekte Deines Business via Storytelling erklären. Aber immer dann, wenn es gilt einen komplexen Sachverhalt im Web zu kommunizieren, sind OnePager ein probates Mittel.
Abbildung 1: Es geht nicht immer um viel Text – Bellroy zeigt auch schicke Funktionen im OnPager http://bellroy.com/slim-your-wallet
Aber Vorsicht: Den SEOs unter den Lesern hier sei gesagt, dass ein OnePager nicht für beliebig viele Themen (vulgo: Keywords) eine tolle Position in den Suchergebnissen einnehmen kann. Denn die Regel bleibt bestehen, dass Google immer die beste Antwort auf eine Suchanfrage liefern möchte. Deshalb sollten Webseiten ja auf die Suchanfrage „fokussiert“ sein. Mit anderen Worten: Ein OnePager über „Urlaub in Thailand“ ist deshalb für die Suche nach dem besten "Strand auf Ko Lipe" vermutlich keine wirklich gute Antwort - da dieser Strand lediglich unter 1000 anderen Informationen aufgezählt wird.
Doch damit haben wir die idealen Einsatzorte für OnePager zusammen. Ein OnePager macht Sinn für:
1. komplexe, vielleicht erklärungsbedürftige Themen
2. Suchanfragen, für die der Suchende gerne Zeit investiert
3. evtl. für Seiten, die durch technische Brillanz überzeugen wollen (siehe z.B. den OnePager von Apple für den Mac Pro)
Wer aber darauf hofft, für unterkomplexe Produkte seine User via OnePager auf eine zeitintensive Reise durch seine eigene Gedankenwelt mitzunehmen und sie dabei vom Kauf überzeugen will, wird an der Ungeduld der User scheitern. Was schnell gehen kann, sollte schnell gehen. Im Übrigen, dass wirst Du im Folgenden sehen, ist der Bau eines OnePagers aufwändig und lohnt sich nicht für jeden Mist.
Haben wir nun ein passendes und ausreichend komplexes Thema wie „Risikolebensversicherung“ oder „Urlaub in Thailand“ gefunden, erarbeiten wir uns die hilfreichen Inhalte dazu. Hier gilt die Regel der Verhältnismäßigkeit: Der vorhandene Inhalt definiert die Länge des Beitrags - und nicht anders herum.
Abbildung 2: Mal ganz pragmatisch: Sehr viele Produktseiten bei Amazon sind eigentlich nichts anderes als das, was man als “OnePager” bezeichnen würde. Sie sind holistisch, auf ein Produkt fokussiert, meist einzigartig, an manchen Stellen redundant.
Der Inhalt sollte holistisch sein: Schätze grob, wie lange sich Dein Besucher mit dem Thema beschäftigen will und wie viele Informationen er benötigt bis er „satt“ ist. Das markiert Deine Content-Menge. Es geht nicht darum, möglichst viel zu einem Thema zu schreiben, sondern um die interessanten und lesenwerten Aspekte!
Der Inhalt sollte fokussiert sein: Natürlich kannst Du bei einer Risikoversicherung auch auf Deine Haftpflichversicherung verweisen. Aber nur „am Rande“, denn darum geht es dem Leser gerade nicht. Biete ihm Links nach außen, aber fasel nicht ums Thema drumherum.
Keine Angst vor Redundanz: Wenn Du in irgendeiner anderen Unterseite schon einmal Deine USPs beschrieben hast - verlasse Dich nicht darauf, dass der User schon alle Deine Unterseiten gelesen hat. Was zum Thema gehört, muss auf den OnePager!
Sei einzigartig: Und trotzdem solltest Du möglichst wenig Duplicate Content auf Deinem OnePager haben. Natürlich darfst Du auch mal Deine USPs auch von einer anderen Seite kopieren. Aber sample nicht nur Text von anderen Seiten sondern schaffe etwas Neues!
Mache die Seite unvergleichlich: Es ist wenig hilfreich, einen OnePager für „Risikolebensversicherungen“ zu bauen, wenn Du schon eine andere Produktseite dafür hast. Dann stehen sich die beiden Seiten gegenseitig im Weg. Pro Keyword/Thema eine Seite, das reicht!
Das gilt übrigens nicht nur für OnePager sondern eigentlich für alle Unterseiten. Aber weil in einem OnePager mehr Arbeit steckt, sollte man es damit genauer nehmen.
Wie der OnePager aufgebaut wird, entscheidet sich am besten gleich am Anfang der Recherche. Für umfangreichere Seiten machen wir immer gleich eine MindMap mit den möglichen/sinnvollen/notwendigen Aspekten. Das geht schnell und ist gehirngerecht. Eine solche Mindmap (mein Lieblingstool dafür ist Mindmeister) kann auch gleich mit weitergehenden Informationen und sogar mit Text-Schnipseln gefüllt werden. Und am Ende werden die Äste einfach nur noch in eine ordentliche Reihenfolge gebracht - fertig ist die Beitragsstruktur.
Das hat den Vorteil, dass man wirklich abgeschlossene Kapitel vor sich hat, die natürlich so konkret und attraktiv wie irgendmöglich mit Zwischenheadlines überschrieben werden. Eine Regel, die fast immer gilt: Achte darauf, das beim Scrollen auf jeder Desktop-Seite etwa eine Zwischenheadline (oder Sub-Sub-Headline) zu sehen ist. Und, ja, natürlich wird jede Seite durch passende (!) Bilder attraktiver und gehaltvoller. Dabei nicht vergessen: Jedes Bild braucht eine Bildunterschrift.
Ansonsten wird es niemanden verwundern, wenn ausgerechnet ich vorschlage, immer auch wieder mit Bullet-Points, Tabellen und Fettungen zu arbeiten. Das unterstützt beim Lesen und gibt hektischen Lesern die Möglichkeit, den einen Teil im OnePager zu finden, den sie lesen möchten. Denn bei aller Liebe zum Text gilt immer noch: Von 100 Prozent aller Texte werden nur knapp 25 % gelesen. Und nur etwa 6 % werden bis zum Ende gelesen. Deshalb baue möglichst viele Struktur-Signale in Deinen Inhalt, damit sich der „Scanner“ das raus sucht, was er brauchen kann.
Soweit also der Standard. Ein guter OnePager kann aber auch ordentlich getuned werden. Hier einige Gedanken, wie Du aus einem 08/15-Beitrag einen Spitzen-Artikel machen kannst:
1. Sei rundum responsive:
Natürlich passt sich Dein Layout dem Formfaktor des Lesegerätes an. Das ist schon mal ein guter Anfang. Doch damit geht die Responsitivität erst richtig los. Welchen Text und welche Bilder bekommt der Smartphone-User zu sehen? Welchen Inhalt der Typ am Desktop? Und, noch besser wenn auch noch schwieriger: Bekommt ein Leser oder Kunde, der von Facebook kommt wirklich die gleiche Headline, wie derjenige, der über Google auf die Seite kommt? Ich weiß, eine solche Responsitivität ist extrem aufwändig - und auf vielen Webseiten vielleicht nicht einmal notwendig oder sinnvoll. Aber macht Euch darüber Gedanken.
Und glaubt bitte nicht denen, die mit einer einfachen Formel daherkommen. Denn es ist schlicht falsch, wenn man auf dem Handy einfach mal weniger und kürzere Texte anzeigt. Denn das trifft oft nicht Punkt. Überlege Dir vielmehr, wie die Welt Deiner Kunden unterwegs aussieht. Vermutlich haben sie keine Lust, ein Formular auszufüllen, deshalb kannst Du ihnen vielleicht eine Telefonnummer anzeigen. Oder statt einem Video ist vielleicht ein Bild die bessere Bebilderung? Als Arzt solltest Du einem mobilen User wohl auch eher Deinen Weg zu Dir zeigen - als die Praxis vorstellen. Ich denke, Du weißt was ich meine.
2. Sei immer aktuell:
Ein OnePager ist immer dann eine gute Lösung, wenn Du bereit bist, Arbeit hinein zu stecken. Dann schwöre jetzt und hier aber auch, dass Du diese Seite fortan lieben und pflegen willst und ihr immer treu bleibst. Oder anders gesagt: Dein OnePager wird niemals fertig sein, sondern braucht immer dann etwas Betreuung, wenn sich die Welt ein bisschen weiter gedreht hat. Und damit meine ich keine rhythmische Pflege („jede Woche eine Aktualisierung“) sondern immer dann, wenn sich etwas in der Welt, über die darin berichtet wird, etwas ändert. Denke dabei immer ein bisschen auch an die Wikipedia: Darin sind viele Seiten nicht nur unfassbar umfangreich sondern auch immer aktuell.
3. Hilf beim Überblick:
Zeige dem Leser sehr prominent und auf den ersten Blick, was Du ihm alles anbietest. Vielleicht mit einer Sprung-Navigation (die auch gerne mit-scrollen darf) und einem Einstieg, in dem Du ihm das Versprechen gibst, sein Anliegen wirklich umfassend und detailliert zu behandeln. Erwarte nicht, dass er selbst herausbekommt, wie lang und umfangreich Deine Seite ist. Denn das wird er nicht.
4. Fessle Deinen Besucher:
Auch, wenn Du Deine Kunden zu gar nichts zwingen solltest/darfst, werden es viele lieben, wenn Du sie fesselst. Das Buzzword dazu ist „Storytelling“, wir können aber vorerst „Roter Faden“ dazu sagen. Die sehr vereinfachte Form davon sind Top-Listen („Die 7 besten Tipps im Online Marketing“), da auch sie eine schlüssige (wenn auch sehr einfache) Reihenfolge bieten. Eleganter sind logische Schritte oder semantisch aufeinander aufbauende, tja, Stories. Lese einfach mal Deine Zwischenheadlines hintereinander weg - diese sollten sich wie die Kapitel einer guten Geschichte lesen. Und wenn Du dafür einen ordentlichen „Running Gag“ hast - umso besser.
5. Call-to-Action:
Wenn man über eine super-holistische Landingpage nachdenkt, ist der Call-to-Action Button kein leichtes Thema. Denn “holistisch” heißt ja “umfassend” - und das Kaufen ist für den Besucher nur ein möglicher Aspekt unter vielen. Ich persönlich finde es trotzdem fair, wenn der Call-to-Action möglichst immer im Blick bleibt und vielleicht sogar mit-scrollt. Aber vielleicht liege ich damit auch falsch. Das legt jedenfalls ein Besuch von amazon.de nahe, wo der Kauf-Button immer nur oben rechts ist. So bleibt mir nur ein Reflex, wie immer, wenn es um Conversion geht: Bitte testen!
Eigentlich brauchst Du gar kein Tool, um einen OnePager zu bauen. Denn Dein CMS kann das eh schon. Pack einfach mal mehr Inhalt auf eine Unterseite.
Allerdings sind wir alle auch ein bisschen Tekkie und spielen deshalb mit neuen Templates und Technologien. Eine WordPress-Installation mit einem schönen Parallax-Theme ist damit schnell gebaut. Vor allem Journalisten und Verlage schwören auf Pageflow, eine OpenSource, die aber auch gehostet genutzt werden kann.
Allerdings wirst Du dabei auf zwei mögliche Probleme stoßen:
Erstens führt das meist dazu, dass Du für Deinen OnePager eine neue Domain oder Subdomain benötigst. Das ist aber in den meisten Fällen nicht sonderlich zielführend. Besser ist ein OnePager aus meiner Sicht immer im bestehenden Seiten-Verbund, also als weitere Unterseite. Dann zahlt er auf die Hauptdomain und diese auf ihn ein.
Zweitens sind viele Parallax-Themes etwas “design-verseucht”. Sie dienen dann ehemaligen Flash-Designern als Ersatz für sinnlose Bilderwelten. Und das hat mit einem ordentlichen OnePager so viel zu tun wie ein Karnevalswagen mit dem persönlichen Individual-Verkehr. Denn, bedenke: Wenn der gesamte sichtbare Screen nur von einem Bild und zwei Wörtern ausgefüllt sind - dann sieht der Leser ein Bild und zwei Wörter. Wie viel Arbeit Du Dir im nicht sichtbaren Bereich für ihn gemacht hast, wird er vermutlich niemals erfahren...
Abbildung 3: Ich bin immer etwas misstrauisch, wenn man dem Besucher die Seite am Anfang erst einmal erklären muss. Wer lässt sich denn auf so etwas ein?
Fassen wir zusammen: Ein OnePager ist erheblicher Aufwand, doch wie viel? Das kann ich Dir hier natürlich nicht beantworten. Aber ich kann Dir eine Kalkulations-Hilfe anbieten. Ich weiß nicht, welche Technik Du brauchst, wie umfangreich (und deshalb teuer) Dein Text sein wird und so weiter. Aber etwa diese Punkte solltest Du schon mal kalkulieren.
Abbildung 4: Kosten für einen OnePager
Also los! Und zwar ganz am Anfang...
Ich hoffe, dieser Artikel löst in Dir zwei Dinge aus: Erstens einen gewissen Respekt vor OnePagern. Denn es lohnt sich nicht, einfach mal anzufangen um dann auf halber Strecke einzuknicken und doch wieder nur eine lange Webseite zu produzieren.
Zweitens hoffe ich, dass Du trotzdem Lust darauf bekommen hast, einen solchen OnePager zu testen um daran zu lernen - und zu wachsen.
Veröffentlicht am Dec 18, 2015 von Eric Kubitz