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Experten-Spezial: Website Testing für Online-Shops – Teil 3

Der dritte Teil der Blogreihe mit den Experten aus der Online-Branche, beschäftigt sich mit dem Thema „Website-Testing für Online-Shops“. Der erfahrener Tester Michael Jonas erklärt, wie es funktioniert und worauf man achten sollte.

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Online Testing in der Wissenschaft

Das Testing von Online-Inhalten auf Websites erhält zunehmend einen wichtigeren Stellenwert im täglichen Geschäft von Unternehmen. Oft wird jedoch nur ein Teilspektrum dieser Disziplin angewendet. Online Testing – in welcher Ausprägung auch immer – ist eine Wissenschaft, die aus drei Grundpfeilern besteht und auch nur unter deren Beachtung ihre volle Leistungskraft entfalten kann. Online Testing ist eine hypothesengetriebene Wissenschaft, mit der ich

  • die Performance meiner Onlinemaßnahmen steigern kann,

  • meine Besucher und Website besser kennenlernen kann,

  • mein Risiko diversifizieren kann, wodurch gesicherte Entscheidungen möglich werden.

Definition der grundsätzlichen Testingverfahren

Der Einfachheit halber lassen sich Testingverfahren in zwei größere Kategorien untergliedern: A/B Testing und multivariates Testing.

Beim A/B Testing wird grundsätzlich ein vorhandenes Element oder eine gesamte Website gegen eine neue Variante getestet. Beispielsweise könnte dies ein Bild sein: Ich betreibe ein Immobilienportal und möchte auf meiner Startseite herausfinden, ob ein Bild von einem Haus oder aber einer glücklichen Familie besser funktioniert. Das Bild von dem besagten Haus stellt hierbei meine Ausgangsvariante (Default) da, da es bereits vorhanden ist, und dient als so genannte Kontrollvariante. Das neue Bild von der glücklichen Familie ist unsere alternative Test-Variante (B), neudeutsch auch ‚Challenger‘ genannt.

Die Urform dieses Verfahrens ist tatsächlich nur das Testing von zwei Varianten, die Erweiterung des Ganzen ist dann der A/B/n- oder auch multilevel Test, mit dem sich rein theoretisch unendlich viele dieser alternativen Varianten testen lassen könnten. Multivariates Testing führt das Konzept fort und zerteilt die gesamte Seite (dies kann z.B. eine Startseite, eine Produktdetailseite oder ein Warenkorb sein) in einzelne Elemente, welche dann jeweils eine Ausgangsform als auch neu durch uns definierte, alternative Challengervarianten besitzen.

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Abbildung 1: Schematische Darstellung eines multivariaten Tests

Auf diese Art und Weise können sehr schnell eine hohe Anzahl an Seitenkombinationen getestet werden. Der maßgebliche Unterschied zum A/B Testing ist, dass nun nicht mehr „nur“ ein Element getestet wird, und die Frage nach „welche“ Variante funktioniert am besten beantwortet werden kann, sondern es können auch Einflüsse von einzelnen Elementen auf der Seite untersucht werden. Dies ermöglicht die Generation wertvoller Insights hinsichtlich der Zusatzfragen “Welche Kombinatorik funktioniert am besten?“ und „Wie beeinflussen sich einzelne Elemente gegenseitig?“.

Eine Gefahr und auch ein häufiger Anfängerfehler ist zu viele Kombinationen gleichzeitig zu testen – dies ist zugegebenermaßen auch sehr verlockend. Jedoch bedient sich auch das Testing dem wissenschaftlichen Instrument der Statistik – mehr dazu später. Es gibt nun unterschiedlichste Feinheiten beim Ausspielen dieser Tests an die Besucher, die aufgrund des Umfangs an dieser Stelle nicht behandelt werden können. Das Grundprinzip jedoch ist die zufallsgesteuerte Ausspielung von Seitenkombination an die Besucher.

Einbettung von Tests in die Strategie und vorbereitende Analysen

Testen um des Testens-Willen als Befriedigung des ‚Me-too‘ Bedürfnisses ist natürlich ein guter Weg, um sich erstmalig mit der Materie zu befassen – langfristige Ergebnisse werden jedoch hierdurch nicht erreicht. Basis der Identifikation von Tests ist Research. In den meisten Fällen ist ein Web Analyse System vorhanden, das zumindest Aufschluss über die wichtigsten Seitenbereiche meiner Websites gibt. Als erste Maßnahme sollten die primären User Journeys definiert werden, um Aufschluss darüber zu bekommen, wo der meiste Traffic zu finden ist.

Anhand dieser zentralen Ströme lassen sich sehr schnell Schwachpunkte entdecken, die es Wert sind, mit einer Optimierungsmaßnahme zu beginnen. Sobald diese als identifiziert gelten, lohnt sich ein Blick zum Mitbewerber, denn nicht jedes Mal ist es sinnvoll, das „Rad neu zu erfinden“. Neben dem Web Analyse System gibt es unterschiedliche weitere Quellen, die in diese strategischen Überlegungen mit einbezogen werden können. Die bunte Palette reicht von Tools wie Heat- oder Klickanalyse bis hin zu bestehenden, qualitativen Analysen, wie sie beispielsweise Usability Reports oder User Panels bieten. Nachdem wir die ersten „Hot Spots“ im Sinne von „zu optimierenden Seiten“ identifiziert haben, ist es wichtig, sich noch einmal genauer mit seinem eigenen Geschäftsmodell vertraut zu machen. Das klingt trivial, ist aber ein hoch effektiver Weg in Richtung Ziel.

Nicht jede Seite hat die gleichen Ziele und nur durch die Steigerung der Ziele ist ein langfristiger Einsatz von Testing gerechtfertigt (neben dem wie oben beschriebenen Erkenntnisgewinn versteht sich). Die Abbildung von Geschäftsmodellen verdeutlicht insbesondere die Zusammenhänge zwischen Optimierung von Transaktionen im Vergleich zur Optimierung von Beziehungen des Kunden am besten. Beim Einstieg in das Testing empfiehlt es sich, sich stets mit der Optimierung der Transaktionen zu beschäftigen, da hierauf ein direkter Einfluss besteht.

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Abbildung 2: Schematische Darstellung des Geschäftsmodells eines Online-Shops

Nehmen wir einmal das Beispiel eines Online-Shops. Die klassischen Kennzahlen, die sich auf den Geschäftserfolg der Unternehmung direkt auswirken, sind die Anzahl der Warenkörbe und abgeschlossenen Bestellungen. Das Ziel aller Bemühungen ist eine Steigerung der Conversion Rate „Verkäufe“. In einem zweiten Schritt rückt die Optimierung der Kundenbeziehung in den Vordergrund. Hierbei sind in einem Online-Shop Kennzahlen wie Anzahl der Produkte im Warenkorb sowie die Häufigkeit von Bestellungen von Bedeutung, mit dem Ziel den Umsatz und die Marge zu steigern. Diese Definition wird insbesondere wichtig, wenn es um die Festlegung von Kennzahlen zur Erfolgsbewertung von Tests geht.

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Abbildung 3: Beispiel einer strategischen User Journey

Nach Verdeutlichung des Geschäftsmodells und den daraus resultierenden Kennzahlen sowie den vorrangegangenen Analysen empfiehlt es sich, eine strategische User Journey zu definieren. Diese User Journey hat ein bisschen die Anmutung einer Planskizze oder auch Sitemap – jedoch auf sehr hohem Niveau. In dieser Skizze – die gleichzeitig als Roadmap dienen kann - können nun die geplanten Tests eingetragen werden, um eine Übersicht zu erhalten. Wichtig: Wir sollten stets darauf achten, dass es zu keinen Überschneidungen in zentralen User Flows kommt, da sich Tests dann gegenseitig beeinflussen können.

Erfolgskomponenten von Tests

Nachfolgend werden nun die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Durchführung von Tests aufzeigt. Die zwei wichtigsten sind hierbei sowohl die Forschungsfrage als auch die Validität der Ergebnisse, die bereits im Vorfeld festgesetzt werden sollte.

Richtig fragen

Die Forschungsfrage ist der essentielle Schulterschluss mit der Behandlung des Testings als Wissenschaft. Mit dieser Frage steht und fällt die Gesamtnutzung dieser Optimierungsmaßnahme. Man kann hier von einem Frageprozess sprechen, der sich von einem „Was?“ bis zu einem „Welche?“ entwickelt und schließlich in einer Hypothese bzw. Annahme mündet. Somit werden pro Element Fragen gestellt, die mit entsprechenden Testinhalten in Form einer Annahme beantwortet werden. Beispiel einer Ausgangsfrage wäre „Was ist die beste Darstellung der Abos?“, der sich eine Konkretisierungsfrage anschließt: „Welche dieser drei Darstellungsweisen ist die beste hinsichtlich der Metrik „Abschlüsse“?“.

Eine Hypothese zur Beantwortung der Konkretisierungsfrage wäre dementsprechend: „Die Tabellendarstellung fördert die Übersichtlichkeit und gibt die relevanten Infos“.

Valide oder Zufall?

Bezüglich der Validität (die statistische Aussagekraft) von Tests, gibt es geteilte Meinungen. Es empfiehlt sich jedoch immer mit Hilfe von Berechnungen ein ungefähres Bild der benötigten Menge an Konvertierungen (z.B. Anzahl Bestellungen) zu machen. Zwei grundsätzliche Daumenregeln sind: je kleiner die anfängliche Konversionsrate (z.B. Bestellungen im Verhältnis zu Besuchen des Warenkorbs), desto mehr Konvertierungen werden benötigt. Eine ungefähre Daumenregel besagt, dass es in etwa 500 Konvertierungen pro Testvariante benötigt. In einem klassischem A/B Test wären dies dann 1.000 Konvertierungen.

Inhalte die Erfolg bringen

Sicherlich der spannendste Teil des Testings ist die Konzeption von Testinhalten. Gerade als Anfänger ist man schnell versucht, nach dem „Bauchgefühl“ Varianten zu entwickeln. Für die ersten Gehversuche sicher ein gangbarer Weg, wenn jedoch das strukturelle Vorgehen und die Verfolgung der Strategie wichtig sind, so gibt es auch bei der Konzeption von Inhalten eine klare Empfehlung, die folgenden Bereiche abzudecken:

Wer kommt wieso auf meine Seite?

Motivation der Besucher ist der wichtigste Faktor bei der Konzeption von Testinhalten. Stellen Sie sich stets die Frage, was ein Besucher auf Ihrer Seite macht. Diese Frage ist vielfältig und beginnt mit dem Besuch auf einer Website und endet auf einzelnen Seitenbereichen. Wenn wir beispielsweise wissen, dass ein Besucher nach meiner Marke und einem bestimmten Produkt gesucht hat, liegen andere Voraussetzungen vor, als bei einem Besucher, der ein Produkt gesucht hat und zufällig auf der Website meiner Marke gelandet ist. Ebenso besitzt ein Besucher, der sich im zweiten Schritt eines Bestellprozesses befindet, eine völlig andere Definition, als ein Besucher, der noch in der Findungsphase ist und sich auf einer Produktübersichtsseite befindet. Es empfiehlt sich immer in der Konzeption von Testinhalten – die entsprechend die Hypothese bilden – die Motivation des Besuchers miteinzubeziehen. Daran sind die Inhalte entsprechend auszurichten, da dies der Hauptgrund der Besucher ist.

Barrieren und Handlungsbeschleuniger

Ein zentraler Punkt auf Websites sind vorhandene Barrieren. Jede Art von Transaktion wird vom Besucher mehr oder weniger als umständlich wahrgenommen. Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine Kreditkarte aus Ihrer Tasche holen oder Sie benötigen eine Kundennummer, die in irgendeinem Ordner verschwunden ist. Solche externen Barrieren gilt es, sofern möglich, zu reduzieren. Den Einfluss, den wir direkt auf diese Reduzierung von Umständen haben, sind interne bzw. websitenrelevante Barrieren. Die Reduzierung eben dieser ist eine der effektivsten Methoden, um die Konversionsrates zu erhöhen.

Nehmen wir als Beispiel die Pflichtfelder in einem Formular sowie dessen Design. Je einfacher das Formular ausgefüllt werden kann und je weniger Informationen eingetragen werden müssen, desto wahrscheinlicher ist der Convertierungserfolg. Allerdings geht es nicht darum, Umstände gänzlich zu eliminieren. Wer jegliche Barrieren eliminiert, eliminiert in letzter Konsequenz auch den Transaktionsabschluss, da kein Prozess mehr vorhanden ist. Wenn die Barrieren so weit wie möglich minimiert wurden, versucht man den verbleibenden Rest durch Handlungsbeschleuniger zu überwinden. Diese Handlungsbeschleuniger sind vielfältig und reichen von argumentativen Incentives in der Nähe der durchzuführenden Handlungen, bis hin zu finanziellen Incentives wie beispielsweise eine kostenfreie Lieferung als auch zusätzlichen Beigaben. Ganz gleich wie Sie die von Ihnen aufgestellten Hypothesen beantworten wollen und wie Sie die Instrumente des Barrierenabbaus und den Einsatz von Handlungsbechleunigern nutzen, vergessen Sie nie, dass jedes Element und alles was sie konzipieren an der Value Proposition Ihrer Produkte und Ihres Unternehmens auszurichten ist.

Interpretation von Ergebnissen

Es ist wichtig zu verstehen, dass es keine schlechten oder verschwendeten Testergebnisse gibt. Letztendlich gibt es vier mögliche Ergebnisse, die man als Testergebnis erhalten kann: Die erste und mit Sicherheit oft die gewünschte Variante ist , dass eine Testvariante die Kontrollbasis schlägt. In diesem Fall ist es ratsam, weiter in diese Richtung zu prüfen, um tiefere Erkenntnisse über Zusammenhänge gewinnen zu können. Wenn beispielsweise die Schriftvergrößerung wirkungsvoll war, dann macht es vielleicht sogar Sinn, eine weitere kleine Vergrößerung durchzuführen.

Der umgekehrte Fall ist, dass die Kontrollbasis eine oder alle Testvarianten schlägt. Dieses Ergebnis kann immer dann ein Erfolg sein, wenn sie dem Risiko-Management beiträgt. Wichtig ist nun eine Interpretation der Frage nach dem „Warum“, um aus diesem Test Insights generieren zu können. Ein Folgetest macht in solch einer Situation immer dann Sinn, wenn es eine “Gegen”-Variante gibt.

Zum Beispiel: Wenn die Schriftvergrößerung die Conversion gesenkt hat, wird vielleicht die Verkleinerung die Conversion steigern? Wenn die Testvariante und die Kontrollbasis gleich auf sind, stellen Sie sicher, dass neue Elemente sich nicht gegenseitig kannibalisieren. In diesem Fall ist es wichtig, hinter die Zahlen zu schauen. Eine vierte, aber eng in Bezug stehende Variante von Ergebnissen, ist die der wechselnden Gewinner. Dies ist oft der erste Einstieg in Segmentierung und Personalisierung, in der identifiziert werden kann, dass sich unterschiedliche Besuchersegmente unterschiedlich verhalten.

Fazit und Checkliste

Um Entscheidungen nicht mehr auf reinem Bauchgefühl basierend zu tätigen, ist es unabdingbar, die vorhergehenden Punkte zumindest rudimentär einzuhalten und einem Plan zu folgen. Es sollte zudem stets eine Protokollierung des Testingkonzepts bis zur Analyse der Ergebnisse stattfinden. Um einen kurzen Überblick zu erhalten, empfiehlt sich die Nutzung der folgenden Checkliste:

Strategie Definition

✓ Definition von „Hot Spots“ mit Hilfe von Web Analytics

✓ Visualisierung von Transaktions- und Beziehungsprozessen innerhalb des Geschäftsmodells

✓ Festlegung der relevanten Erfolgskennzahlen

✓ Research von bestehenden qualitativen Analysen (User Labs, Usability Reports, etc.)

✓ Entwicklung der übergreifenden, strategischen User Journey und Festlegung einer Testing-Roadmap

Testdurchführung

✓ Entwicklung der übergreifenden Testfrage

✓ Definition der Testfragen für einzelne Seitenelemente

✓ Entwicklung der Testinhalte in Hypothesen

✓ Motivation der Besucher auf der Seite

✓ Reduzierung von Barrieren

✓ Nutzung von Handlungsbeschleunigern

Implementierung und Qualitätssicherung der Tests

✓ Analyse der Ergebnisse

✓ Testvariante schlägt Kontrollbasis

✓ Kontrollbasis schlägt Kontrollbasis

✓ Testvariante und Kontrollbasis sind gleich auf

✓ Ergebnisse sind volatil

Coming Up next…

In der nächsten Woche erklärt Karl Kratz, der seit 1996 Online Marketing betreibt, wie man am besten im eigenen Online-Shop die Landing Pages optimiert und wozu diese überhaupt nützlich sind. Karl ist Herausgeber zahlreicher Publikationen und Verfasser des eBooks "Landing Page Optimierung", das sich bereits tausendfach verkauft hat. Der Stratege kennt sich bestens aus und weiß wie man die Produkte im Internet erfolgreich vermarktet. Bleiben Sie also am Ball.

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Veröffentlicht am Feb 6, 2014 von Michael Jonas