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Experten Spezial: Usability Optimierung für Online-Shops – Teil 5

Der fünfte Teil des Experten Spezials handelt über das Thema “Usability Optimierung für Online-Shops”. Hierbei geht der Web Usability Experte Mario Fischer auf die Punkte ein, die für eine gute Usability wichtig sind, und zeigt Fehler auf, die idealerweise vermieden werden sollten.

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Horchamol, Shopbetreiber!

Erstaunlich. Es gibt vergleichsweise viel Literatur und Tipps im Web, wie man aus einem Shop über mehr Kundenzufriedenheit am Ende auch mehr Umsatz bzw. Gewinn holen kann. Möchte man aber abseits von Amazon, Otto oder Zalando im Netz einkaufen, braucht man oft noch immer ein dickes Fell, viel Gelassenheit und natürlich entsprechend verschreibungspflichtige Medikamente zur Beruhigung. Dabei sind Verbesserungen oft recht schnell umgesetzt – man muss als Betreiber nur versuchen, mit den Augen der Besucher hin zu sehen… Also guckst Du hier!

Besuchertipp 1: Let me sörtsch

Amazon würde wahrscheinlich nicht mehr als (Vorsicht Übertreibung!) zweistellige Umsätze pro Jahr machen, wenn man die Produkte über die Navigation finden müsste. Macht das überhaupt jemand? Je? Und Google, haben die eine Navigation fürs Web wie früher Yahoo! und andere Kataloge? Nein, beide haben eine superduper-Suchfunktion. Wer in seinem Shop nur vier Artikel hat, kommt sicher ohne gute Suche aus. Sind es deutlich mehr, sollte man sich einfach mal selbst schocken und die interne Suchfunktion *wirklich* testen.

Findet sie die Artikelbezeichnung, wenn Bindestriche oder Leerzeichen fehlen? Kommen als Ergebnis für einen Produktnamen auch 25 Pressemeldungen in unterschiedlichen Sprachen als „Treffer“ – womöglich noch vor dem Produkt selbst? Ziert das Suchergebnis so nutzlose wie schwachsinnig wirkende „Übereinstimmungsprozentzahlen“, dessen Einbau den Entwickler erregt, nicht aber die Suchenden, die ständig entweder 99,9% oder 10% angezeigt bekommen? Eine gute Suche zu realisieren ist gar nicht so leicht.

Meist sind die standardmäßig in Shopsysteme eingebauten Suchfunktionen nicht die magnetischen Beschichtungselemente wert, die sie belegen. Ein gutes, weil schlechtes, Beispiel liefert Karstadt.de nun schon seit über 10 Jahren ab. Schon damals hat die Suche in „myworld.de“ nur Unsinn geliefert. Das einzige, was seither die vielen Relaunches überstanden hat, war die untaugliche Suche. Aktuell liefert sie z. B. für „DVD Player“ ein iPad, Kopfhörer oder eine Mütze.

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Abbildung 1: Produkt-Suche bei der Website von Karstadt

Was tun?

Mein Powertipp: Einfach mal zu Google gehen und im Suchschlitz “site:www.meinshop.de Suchwort(e)“ eingeben. Hey – bitte „meinshop.de“ ist natürlich gegen die eigene Shopadresse auszutauschen und nach einem Leerzeichen sollten echte Suchbegriffe eingegeben werden. Ich mein ja nur. Diese Spezialabfrage veranlasst Google, nur Suchergebnisse von dieser Domain, also Ihrer, auszugeben. Sind die für den Suchbegriff gut und treffend? Probieren Sie ruhig mehrfach verschiedene Suchbegriffe.

Sollten die Ergebnisse gar nichts taugen, haben Sie ein weit größeres Problem als die interne Suche zu pimpen: Sie haben ein „in-Suchmaschinen-nicht-gut-gefundenwerden“- oder ein „Bloede-Shopsoftware“-Problem. Brechen Sie jetzt hier das Lesen ab und gehen Sie vom Restgeld aus der Shopkasse ins Kino. Alle anderen sollten sich mal in Ruhe die sog. Site Search von Google ansehen (Guckst Du: Google Site Search)

Damit kann man den Google Suchschlitz in den eigenen Shop einbinden und die Suchergebnisse (ohne Werbung) optisch angepasst (vulgo: Customized) direkt im Shop ausgeben.

Vorteil: Volle Rechenpower und –intelligenz von Google und die gewohnten Ergebnisse mit Überschrift, Snippet usw. plus eine Integration in Google Analytics, womit sich die Nutzung der Suche gut tracken lässt. Optisch personalisierbar, Gewichtung nach Alter, Relevanz editierbar, Synonyme und Tippfehlerkorrektur funktionieren automatisch, Vorschläge (Suggest) und einiges mehr. Nachteil: Kostet ab 100 US$ pro Jahr, gestaffelt nach Suchvorgängen. Wen das ernsthaft abschreckt: Ab ins Kino!

Besuchertipp 2: Don´t überforder me!

Das kennen wir alle: Da klickste in eine Shopkategorie und bekommst als Antwort, dass 836 Produkte gefunden wurden und da jetzt auf der Seite 8 Produkte angezeigt werden. Auf Seite 1 bis 105 könnte man das durchblättern. Macht man aber nicht. Was die Wissenschaft unter dem Stichwort „The Paradox of Choice“ führt, macht sich hier praktisch bemerkbar: Zu viel Auswahl macht uns kirre.

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Abbildung 2: Anzahl pro Seite

Wenn wir das Gefühl haben, etwas übersehen zu haben oder diese Gefahr besteht, kaufen wir oft lieber gar nicht – als das Falsche oder Suboptimale. Daher sollte ein Shop mit mehr als max. 15 Artikeln pro (Unter)Kategorie immer auch eine optisch deutliche (!) Möglichkeit zum weiteren Filtern haben. Facettierte Navigation nennt man das glaube ich. Solche Filter kann man nach Marken, nach Verwendungsgebiet, nach Preis von bis, nach Aktualität, nach Farbe, nach Gewicht, nach allem Möglichen machen – solange die Kategorien für den Besucher Sinn machen.

Merke: Wer seinen Besuchern nicht hilft, damit sie die Produktanzeige auf eine für sie erfassbare und geistig verarbeitbare Menge eindampfen können, überfordert sie und sagt ihnen sanft aber bestimmt, dass sie hier nichts verloren haben. Für eine solche Auswahl brauchen wir unser Kurzzeitgedächtnis – und selbst Superschlaue können hier nur maximal neun Items speichern bzw. für einen Hirnvergleich gleichzeitig ablegen. Das ist bereits so, seit uns die Evolution auf zwei Beine gestellt hat und wird sich zumindest bis 2017 nicht ändern. Denn da sind dann wieder Bundestagswahlen und was danach ist, weiß praktisch kein Mensch.

Besuchertipp 3: Cannot let my money by you

Wann haben Sie das letzte Mal ausprobiert, ob alle angebundenen Zahlungssysteme noch einwandfrei funktionieren? Ja klar, da kommt ja Geld drüber rein. Trotzdem verändern die Anbieter solcher Systeme gerne immer wieder mal was und leider nicht immer zum Vorteil der Besucher und damit letztlich auch der Shopbetreiber. Paypal haut den deutschen Besuchern gerne englische Texte um die Ohren. Die dort vorkommenden Fachbegriffe lernt man nicht in der Schule und einige potenzielle Käufer kann man damit durchaus abschrecken. Aber auch die Mastercard zumindest der Sparkassen sorgt mit seiner mehr als amateurhaften Umsetzung des „Sicherheitskonzeptes“ für Verunsicherung.

Für das erste Onlinebezahlen braucht man nämlich eine PIN. Da man es nicht geschafft hat, das mit den Kunden per Brief zu regeln, wird erst mal jeder beim ersten Onlinekauf auf eine Seite ausgesteuert, in der selbst eine PIN festlegen muss. Man versetze sich in den Besucher: Er hat eben in einem Shop etwas in den Warenkorb gelegt, seine Daten eingegeben und will nun bezahlen. Jetzt gelangt er aber entgegen aller Erwartungen auf eine Seite, die optisch den Eindruck macht, als hätte sie ein Vierjähriger als Krabbelgruppenabschlussprojekt entwickelt. „Bitte erfassen Sie nun Ihren SecureCodeTM“. Aha. Auf der Site „secure5.arcot.com“. Aha – klingt sehr glaubwürdig. Und das in Zeiten, in denen bereits Dreijährige im Radio von so etwas wie „Fisching“ gehört haben und daher sorgsam darauf achten, wo sie online ihre Playmobil-Chat-ID eintippen. Legendär war Schlecker. Man konnte dort online über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ganz am Ende mit American Express bezahlen und musste den Sicherheitscode der Karte eingeben. Bei Amex war und ist dieser vierstellig. Im Formular hatte man aber nur drei Stellen vorgesehen. Bäng.

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Abbildung 3: MasterCard SecureCode

Die Folgen für den Shopbetreiber dürften klar auf der Hand liegen. Kaufwillige Kunden verlieren an solchen Stellen die Lust und brechen ab. Sie zahlen nicht auf das Konto, sondern auf die Erhöhung der Nicht-Conversionrate von oft mehr als 97% ein.

Da solche Probleme immer außerhalb liegen, sollte man in regelmäßigen Abständen selbst zur Kontrolle die eingebundenen Zahlungssysteme nutzen und die Prozesse auch wirklich durchlaufen. Die wenigen Cent, welche die Zahlungssystemanbieter für die Transaktionen verlangen, sind sicher verschmerzbar – zumal man sich ja auch das Porto spart, wenn man die Bestellungen an sich selbst verschickt… Falls mal Mails eintrudeln, dass etwas bei der Bezahlung nicht funktioniert hätte: Hier sollten Sie genauer hinsehen und ggf. gezielt nachfragen. Auf einen solchen aktiven „Beschwerer“ kommen oft viele hundert mit dem gleichen Problem, die sich aber nicht die Mühe machen, zu schreiben. Auch wenn augenscheinlich alles funktioniert und einem im Kopf rumspukt, dass der Typ einfach zu blöde war – nehmen Sie das Ernst. Nehmen Sie es Ernst. Nehmen Sie es Ernst. Finden Sie IMMER den Grund heraus, was hier schiefgelaufen ist und stellen Sie es ab. Gut, manchmal sind manche wirklich zu blöd. Aber auch dann kann man etwas noch einfacher machen. Blödis möchten schließlich auch online einkaufen.

Powertipp: Noch effektiver ist es, jemand anderes einkaufen zu lassen. Der hat keine Betriebsbrille auf. Geben Sie Testkäufern eine angemessene Gutschrift (hinterher!) für deren Bericht und Einschätzung. Zu teuer? Komm hör auf. Was kostet die Gewinnung eines Neukunden und wie viel verliert man innerhalb eines Jahres, weil die teuer bezahlten Hereinsurfer wegen solcher Gründe wieder verschwinden? Lust auf Kino?

Besuchertipp 4: Say me more to this Radierrubber! (Infos zu Produkten)

Hand aufs Herz: Wie gut sind Ihre Produktbeschreibungen wirklich? Ach, Sie haben die einfach vom Hersteller kopiert? OK, kann man machen, muss man aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn man seinen Job als virtueller Shopvorsteher ernst nimmt. Die Hersteller informieren oft eher mit Marketinggeblubber. Hat z. B. schon jemals ein Hersteller darüber aufgeklärt, dass sein Produkt nicht für Anwendungsgebiet X passt? Nein, er schreibt maximal, es passe für A, B und C.

In der Regel bleiben für den Käufer, wenn es nicht gerade um Klopapier geht, häufig Fragen offen. Kann ich die Mine dieses Kugelschreibers überall nachkaufen? Was bedeutet APS-C Format bei einem Foto? Was ist eine Multibrand-TV Steuerung? Muss ich diesen Kaffeeautomaten reinigen und wenn ja, wie? Was bedeutet es, wenn Dell auf seine Latitude Notebooks in Deuschland „Windows® 7 Professional 64-Bit, Schweiz/Benelux, MUI“ als Betriebssystem verkauft? Dass man mit „Grüazi miteinand – wolle mer uns ailogge?“ begrüßt wird? Und MUI? Statt Erklärungen findet man Angaben, die ohne weiteres googlen unmöglich zu verstehen sind. Ist das bei Ihnen im Shop auch so? Schlimm ist für Shopbesucher auch häufig, dass der Betreiber jeden für einen Branchenprofi hält. Der Shop für Stempel zeigt in der Abbildung ganz gut das Dilemma des Besuchers. Der fragt sich, was wohl der Unterschied zwischen Trodat Printy Line, Colop Expert Stempel, Dormy Imprint oder Modico Flash ist. Er braucht Hilfe bei der Vorentscheidung, was er sich überhaupt ansehen möchte.

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Abbildung 4: Nutzung von Unterkategorien

Nun kann man zu Recht einwenden, dass man sich schließlich nicht für alle Produkte Gedanken für die Verwendung machen und umfangreiche Infos zur Verfügung stellen könne. Diese Ausrede lässt sich leicht umgehen, wenn man zunächst priorisiert. Man identifiziert die Top-Produkte. Das können die mit dem höchsten Gewinnanteil sein, die, für die man viel und teuere Werbung macht oder auch die, welche hohe Absprungraten haben – sprich, wo Kunden den Laden besonders häufig klicklos verlassen. Nach dem Pimpen der Produktinformationen misst man einfach nach einer vernünftigen Zeitspanne, welche Veränderungen das bei den Verkäufen gebracht hat. Je nachdem, wie sich das lohnt, baut man dann den Inhalt weiter aus. Ach ja: Ein kleiner Nebeneffekt ist übrigens, dass Google solche gepimpten Seiten oft sehr viel lieber hat ;-)

Besuchertipp 5: Is out of me nobody others here?

Boah. Ich hasse leere Lokale und Kneipen. Geht Ihnen das auch so? Gut, im Internet sieht man nicht, wer gerade noch mit mir im virtuellen Laden ist. Hmmm… manchmal hab ich aber schon den Eindruck, ich wäre hier irgendwie der Erste, der hier aufschlägt. Woher kommt dieses Gefühl? Es beschleicht mich meist dann, wenn die Produktbewertungen alle leer sind. Das ist zwar nicht korrekt, denn nicht jeder Käufer bewertet (hinterher!) seinen Kauf, aber wenn so gar nix da ist…?

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Abbildung 5: Bei diesem OnlineShop findet man keine Bewertungen.

Hier steckt man meist in der Klemme, wenn man nicht Amazon oder ein anderer großer Versender mit Myriaden von Kunden ist. Soll man Bewertungen faken, damit was da ist? Wenn das rauskommt –und Leute es kommt meist raus, weil man beim Faken immer Fehler macht- ist das natürlich nicht so spaßig für den Betreiber. Was dann tun? Ganz einfach: Man popelt den an den Lada angeklebten Heckspoiler des Formel1-Rennwagens wieder ab und tut nicht mehr so, als wäre man Amazon. Bewertungen von Kunden helfen nur, wenn viele Kunden solche Bewertungen abgeben und wenn auch schlechte Bewertungen in Sinne von Warnungen vor schlechten Produkten (die soll es ja geben) vorhanden sind.

Wenn die Zahl der eigenen Besucher nicht ausreicht, und das tut sie selten, dann sollte man überlegen, diese Funktion still zu legen. Man muss nicht jeden Unsinn mitmachen, der in Blogs oder Zeitschriften steht. Für kleinere Normaloshops ist eine Bewertungsfunktion oft genauso unsinnig, wie Facebook-Freunde via Gewinnspiel zu generieren. Also entweder anständig faken und ja nicht erwischen lassen – oder weg damit. Ersteres möchte ich aber explizit nicht empfohlen haben!

Besuchertipp 6: I will you what asken but can it not!

Und wenn trotz aller Sorgfalt und Kundenliebe dann doch mal Fragen offen bleiben? Dann möchte der anonyme Aufschlag auf der Festplatte des Shopservers vielleicht doch mal einen Menschen etwas fragen. Viele wissen zwar nicht, was ein „Impressum“ ist, wissen aber, dass man spätestens dort eine Telefonnummer findet. Verstecken kann man sich also eh nicht. Warum nicht gleich einen Nummer gut sichtbar in den Kopfbereich des Shops mit reinnehmen? „Wenn Sie Fragen haben – wir sind für Sie da!“ – Na, wie klingt das? Menschlich? Freundlich? Sympatico? Eben. Nun passieren zwei Dinge: Der Besucher fasst Vertrauen, weil er weiß, dass er nötigenfalls anrufen kann – auch wenn er das meist doch nicht tun wird. Zweitens wird ab jetzt das Telefon häufiger läuten. Das ist keine Belästigung! Führen Sie für jeden Anruf Buch, was der Grund des Anrufs war. Stellen Sie sich die Frage, warum der Anrufer sein Problem nicht selbst (mit den Infos im Shop) lösen konnte.

Überlegen Sie, wie Sie wo welche Info zur Verfügung stellen müssen, damit man eben nicht mehr anrufen muss. Oft sind die Infos ja da, aber nicht an der richtigen Stelle… Solche Anrufe sollte man daher durch optisch gut sichtbare Telefonnummern fördern: Sie sind eine wichtige und kostenlose Informationsquelle, wie man (noch) besser werden kann! Einfach zuhören und lernen, statt sich über die Störung zu ärgern oder sie gar durch Verstecken der Nummer verhindern zu wollen...

Sicher, dass Suchmaschinen Deine Website crawlen können?

Veröffentlicht am Feb 20, 2014 von Mario Fischer