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KPI Shortcuts im Online-Marketing und E-Commerce

Kennziffern sind im Online-Marketing und im E-Commerce häufig so zahlreich, dass schnell ein Overkill entsteht. Umso wichtiger ist es, Kennziffern so einzusetzen, dass sie wirklich nützlich sind.

Dabei ist die entscheidende Frage, welche Kennziffer wirklich wichtig ist. Und welche schafft es zur KPI, also zum Key Performance Indicator? Noch wichtiger ist darüber hinaus, welche Zusammenhänge zwischen den Kennziffern bestehen. Um diese Fragen ein wenig zu klären, möchte ich in diesem Beitrag einige "KPI Shortcuts" als kleine Modelle und Rechnungen präsentieren, die E-Commerce- und Online-Marketing-Kennziffern in den Kontext von Zielen stellen und somit helfen, erfolgreich Online-Marketing und E-Commerce zu gestalten.

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Vom Ziel zur KPI

Häufig beginnen die Probleme beim Kennzahlen-Management damit, dass Ziele unklar sind. Hintergrund ist nach meiner Erfahrung, dass im E-Commerce deutlich mehr zu steuern ist als in konventionellen Geschäftsmodellen ohne "E". Allein im Online-Marketing bestehen im Vergleich zur konventionellen Werbung vermutlich Hunderte zusätzliche Stellschrauben, deren Einfluss auf den Erfolg analysiert und die dann mit neuen Erkenntnissen optimiert werden. Sehr schnell entsteht bei den Anwendern von solchen Kennziffern ein Bild, das mit "Menschen, die auf Daten starren" treffen charakterisiert ist.

Aber es nützt nichts – über diesen Berg der Kennzahlenauswahl und –modellierung müssen alle gehen. Und wenn man mal auf dem Gipfel des Data Driven Marketing gelandet ist, kann man sich der herrlichen Aussicht eines noch effizienteren Marketings erfreuen.

Aus der Erreichung eines Gesamtziels wie etwa der Erzielung von Erträgen lassen sich Verantwortungen definieren und dazugehörige Ziele definieren. Jedes dieser Ziele braucht dann eine Maßzahl, also eine Metrik, für die ein Zielwert festgelegt wird. Damit wird die Metrik zu einer Kennziffer. Wenn eine Metrik keine Bedeutung für ein Ziel hat und nicht verfolgt wird, bleibt es bei der Metrik. In den analytischen „Adelsstand“ wird die Metrik dann schließlich erhoben, wenn sie ein Key Performance Indicator wird. Alle Kennziffern sind Performance Indikatoren, aber nur solche sind Key Performance Indikatoren, die eben eine Schlüsselbedeutung für den Unternehmenserfolg haben.

Der E-Commerce Code – ein KPI Modell

Mit der Hierarchie KPI – Kennziffer – Metrik haben wir schon etwas Licht in den Datendschungel gebracht. Der entscheidende Schritt ist aber – wie oben beschrieben- die Verbindung zwischen Zielen, Kennziffern und KPI.

Das Ziel von Unternehmen ist ja ganz einfach definiert, zumindest wenn man Harald Schmidt folgt, nämlich: "Die Einnahmen müssen die Ausgaben übersteigen." Jetzt weiß jeder, der sich mal in der Nähe eines BWL Studiums befunden hat, dass das Begriffspaar Einnahmen und Ausgaben eine schlichte Verharmlosung des Überangebots an Kennziffer ist, das in der BWL herrscht. Wie angenehm sollte es doch sein, möglichst viele wesentlichen KPIs in einer Rechnung zu vereinen.

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Eine solche vereinheitlichende Rechnung kann das Modell des "E-Commerce Code" liefern. Es verbindet Online-Marketing Kennziffern mit Deckungsbeiträgen und Kosten. Damit ist der "E-Commerce Code" eine E-Commerce Erfolgsrechnung, die alle wichtigen Kosten- und Erfolgsgrößen umfasst. Der "E-Commerce Code" ist nicht zu detailliert, bietet aber einen guten und schnellen Überblick, indem er zu den wichtigsten Kennziffern Durchschnittsgrößen verwendet.

Die Rechnung beginnt mit dem Deckungsbeitrag I. Dieser ist die Differenz eines einzelnen Umsatzes und den dazu erforderlichen direkten Kosten für die Anschaffung von Gütern.

(1) DB I = Netto-Preis – Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines einzelnen Produkts (incl. Versand)

Es gehört zu den zentralen E-Commerce-Zielen, dass nicht nur ein Produkt, sondern gleich mehrere Produkte von einem Kunden bestellt werden. Also spielt die Artikelzahl n eine Rolle. Diese ergibt als Produkt mit DB I den Netto-Warenkorbwert.

(2) n x DB I = Netto - Warenkorb

Im nächsten Schritt dürfte interessant sein, wie viele Warenkörbe denn insgesamt in einer Periode realisiert werden. Dieses gibt die Anzahl der erzielten Conversions C preis:

(3) C x n x DB I = Summe der Netto-Warenkörbe = Gesamt Deckungsbeitrag I

Mit der Conversion haben wir das Feld des Online-Marketings betreten. Als Online Marketeer kann man die Conversions nicht stehen lassen. Interessant sind die Conversions erst, wenn wir sie in den Kontext der erzielten Reichweite stellen. Also sollten wir berücksichtigen, dass die Conversions das Produkt aus Visits und Conversion Rate sind:

(4) Conversions = Visits x Conversion Rate

Damit können wir den Gesamt Deckungsbeitrag I mit

(5) Gesamt-Deckungsbeitrag = V x CR x n x DB I


abbilden.

Aber auch die Visits fallen nicht vom Himmel. Sie sind Produkt von Impressions, also Ausspielungen und Einblendungen von Informationen zu unserem Shop oder zur Website, und Klickraten:

(6) Visits = Impressions x Click-Through-Rate.

Damit wird unsere Online-Marketing-DB-Rechnung zu

(7) I x CTR x CR x n x DB I = Gesamt Deckungsbeiträge I.

Wir haben also schon fünf Stellschrauben zusammengebracht, um die Gesamt Deckungsbeiträge zu erhöhen. Allerdings wäre diese Rechnung ziemlich unvollständig, wenn wir die Kosten für Performance Marketing vernachlässigen würden. Diese entstehen bei jedem Kontakt, also jedem Visit.

(8) Direkte Marketingkosten = V x CPC.

Wenn wir V = I x CTR setzen erhalten wir als Marketingkosten

(9) Direkte Marketingkosten = I x CTR x CPC

Wenn ich nun die direkten Marketingkosten von unseren Gesamt Deckungsbeiträgen der Stufe I abziehe, erhalte ich:

(10) I x CTR x CR x n x DB I – I x CTR x CPC = Gesamt Deckungsbeitrag II.

Nun kann ich I x CTR noch ausklammern:

(11) Gesamt DB II = I x CTR (CR x n x DB I – CPC)

Damit sind die Deckungsbeiträge II definiert, die nach Abzug der Kosten für die verkauften Ware und die direkten Marketingkosten zur Verfügung stehen, um die Fixkosten des Unternehmens zu decken. Die Gesamt DB II sind identisch mit dem Bruttoertrag, also dem Ertrag aus dem operativen Geschäft eines E-Commerce Unternehmens.

Mit Hilfe dieser „E-Commerce Code“ Rechnung lassen sich nun einzelne KPI Shortcuts ableiten:

1. Bruttoertrag je Visit

Um den operativen Wert der Online-Marketing Aktivitäten zu bewerten, bietet sich die Größe Bruttoertrag je Visit an. Diese Größe ist der Klammerausdruck im E-Commerce Code:

(12) Bruttoertrag je Visit = CR x n x DB I – CPC

Wenn dieser Wert 0 ist, dann ist das operative Geschäft break-even und kann nur sich selbst, aber nicht Gemeinkosten und Gewinn finanzieren. Dann entspricht der Bruttoertrag je Visit exakt dem Kontaktpreis, denn es gilt

(13) 0 = CR x N x DB I – CPC
(14) CPC = CR x n x DB I

Konsequenz: Das operative Geschäft kann nur die direkten Online-Marketingkosten decken. Je höher diese sind, umso höher müssen Conversionrate, Artikelzahl je Conversion und/oder Deckungsbeitrag sein, um zumindest auf der operativen Ebene break-even zu sein.

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2. Profitabilität

Natürlich sollten die Ziele eines jeden E-Commerce Unternehmens ambitionierter sein, als im operativen Geschäft den break-even zu erreichen. Profitabilität wird erreicht, wenn die Brutto-Erträge, die wir oben mit dem E-Commerce Code bestimmt haben, größer sind als die Gemeinkosten (GK) des Unternehmens:

(15) GK < I x CTR (CR x n x DB I – CPC)

Auch diese Größe lässt sich in Online-Marketing Steuerung einbeziehen. Wenn man die Gemeinkosten je Visit betrachtet, erhält man die Mindesterträge pro Visit:

(16) GK/V < CR x n x DB I – CPC

Ein Zahlenbeispiel zeigt den Zusammenhang:

Gemeinkosten je Monat: 150.000 €
Visits im Monat: 300.000
CR: 0,05
n x DB I: 40€
1 €

Dann gilt:

(17) GK / V = 150.000 €/300.000 = 2 €
(18) DB II/V = 0,05 x 40 € - 1 € = 1 €

Damit sind die Gemeinkosten je Visit höher als die Bruttoerträge je Visit, das Unternehmen ist defizitär. Würde es gelingen, den durchschnittlichen Warenkorbwert auf 50 € zu erhöhen und den CPC auf 0,5 € zu erhöhen, wäre das Gesamtunternehmen immer noch nicht profitabel, könnte aber wenigstens seine Gesamtkosten decken. Nicht nur in diesem Beispiel spricht vieles für ein schlankes E-Commerce Unternehmen.

3. Cost per Order

Eine alternative Kennziffer, die für den Online-Marketing- Aufwand steht, sind die Cost per Order. Diese lassen sich relativ leicht bestimmen, wenn man die direkten Kosten für das Online-Marketing als Ausgangsgröße nimmt:

(19) CPO = Direkte Marketingkosten / Conversions
(20) CPO = (Visits x CPC)/Conversions
(21) CPO = (Visits x CPC)/ (Visits x Conversion Rate)
(22) CPO = CPC / CR

Es wird schnell deutlich, dass hohe CPCs und geringe CR zu hohen CPOs führen, die in der Regel nicht profitabel sind. Das folgende kleine Beispiel zeigt das Problem:

Warenkorb = 70 €
CR = 3%
CPC = 1 €
CPO = 33,33 €.
Anteil Online-Marketing am Umsatz = 47,6%

Wenn, wie in dem Beispiel, schon fast die Hälfte der Einnahmen für Online-Marketing ausgegeben werden, können Kosten für die Ware, Gemeinkosten und Gewinn kaum ausreichend finanziert werden.

4. Umsatzplanung und Online-Marketingplanung

Eine weiterer Shortcut betrifft die Planung des Online-Marketingbudgets. Dieses kann als KPI Shortcut aus einer allgemeinen Umsatzplanung abgeleitet werden, wie das folgende Beispiel zeigt:

  • Ziel: Umsatz = 1.000.000 €

  • Ziel: Umsatz im Onlineshop = 250.000 €

  • Vorjahreswert: Durchschnittlicher Warenkorb = 50 €

  • Conversions = Umsatz / Warenkorb = 250.000 € / 50 € = 5.000

  • Vorjahreswert: Conversion Rate (CR) = 3 %

  • Visits = 5.000 Conversion / 3 % CR = 166.667

  • Vorjahreswert: Ds. CPC = 0,5 €

  • Online-Marketing Budget = 166.667 x 0,5 € = 83.333 €

  • Tagesbudget 83.333 € / 360 = 231 €

  • Relation Online-Marketing/Umsatz = 33 %

Auch dieses Beispiel zeigt, wie wichtig ambitionierte Ziele bei Leistungswerten im Online-Marketing sind. Trotz günstigem CPC liegt der Umsatzanteil mit 33% überdurchschnittlich hoch. Ursächlich sind sicher eine vergleichsweise geringe Conversion Rate sowie ein geringer Warenkorbwert.

5. Berücksichtigung der Retourenquote

Im vierten KPI Shortcut wird in der Brutto Ertragsrechnung die Retourenquote RR (für Return Rate) berücksichtigt. Dazu wird die Conversion Rate mit dem Kehrwert der Retourenquote (1 – RR) multipliziert, denn auf diese Weise erhält man die Conversions nach Retouren. (1 – RR) ist also der Anteil der nicht-retournierten Ware:

(23) Brutto Ertrag = I x CTR (CR x (1 – RR) x n x DB I – CPC)

Setzt man den Brutto Ertrag wieder gleich 0 für den operatien break-even-Punkt, erhält man die Bedingung, bei der das operative Geschäft für sich kostendeckend ist, aber weder Gemeinkosten noch Gewinn finanzieren kann:

(24) 0 = CR x (1 – RR) x n x DB I - CPC
(25) CPC = CR x (1 – RR) x n x DB I
(26) CPC / CR = (1 – RR) x n x DB I
(27) CPO = (1 – RR) x n x DB I

Konsequenz: Je höher die Retourenquote umso weniger CPO kann sich ein Onlinehändler leisten, um negative Bruttoerträge zu vermeiden. Im Umkehrschluss lässt sich formulieren: Hohe Retourenraten müssen durch niedrige Online-Marketingkosten oder hohe Deckungsbeiträge I finanziert werden.

Fazit

Diese und weitere KPI Shortcuts sollten helfen Dir, die wichtigsten Kennziffern in den Fokus zu nehmen und bei der Steuerung von Online-Marketing und E-Commerce schnell zu den richtigen Entscheidungen zu kommen. Mit der Verbindung von Werten aus der Kosten- und Leistungsrechnung mit Performance-Indikatoren im Online-Marketing können Online Marketeer das Online-Marketing Portfolio auch in Hinblick auf den Gesamterfolg des Unternehmen steuern.

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Veröffentlicht am Dec 9, 2016 von Dominik Große Holtforth