Conversion Optimierung gehört zu den großen Herausforderungen, denen sich Onlineshop-Betreiber gegenüberstehen. Wie viel einfacher ist es, Visits für den Shop zu organisieren und einzukaufen als die Besucher dazu zu bringen, im Shop auch zu bestellen.
Jedoch ist jeder weitere Visit bei einer mittelmäßigen bis schlechten Conversion Rate ein schlechter Visit, denn eine geringe Conversion Rate treibt die Marketingkosten in Bereiche, die nicht mehr wirtschaftlich sind. Das zeigt eine einfache Betrachtung der wichtigen Online-Marketing Kennziffer Cost-per-Order (CPO), der Klick- oder Kontaktkoste (CPC) und der Conversion Rate (CR):
In einem Zahlenbeispiel mit drei moderaten Werten für den CPC, also den Klick- oder Kontaktpreis zeigt sich sehr schnell, dass eine geringe Conversion Rate zu Online-Marketing Kosten je Bestellung führt, die zumindest den üblichen wirtschaftlichen Rahmen im E-Commerce von Konsumgütern sprengen.
Was liegt also näher, als die Conversion Optimierung in den Fokus der Shopoptimierung zu stellen? Jedoch zeigen aktuelle Marktdaten zum Thema Conversion Rate, dass sich offensichtlich viele Onlinehändler eher schwer damit tun, die Conversion Rate soweit zu optimieren, dass der Online Erfolg mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als wenige Prozentpunkte eintritt.
Abbildung 1: Werte zur Conversion Rate aus Statista (Quelle)
Geringe Conversion Rates haben eine Vielzahl von Ursachen, die jenseits von Produkt und Preis liegen. Also auch Anbieter von attraktiven Produkten mit wettbewerbsfähigen Preisen haben das Problem einer zu geringen Zahl von Onlineverkäufen. Es lassen sich drei Hauptursachen für dieses Problem identifizieren:
Keine oder unzureichende Messung der Conversions
Fehler bei der Akquise von Besuchern für den Onlineshop
Fehler bei der Gestaltung von Landingpages und Checkout.
Die ersten beiden Ursachen können sicher als Kardinalfehler im Online-Marketing und E-commerce angesehen werden. Visits für einen Onlineshop sollten möglichst spezifisch akquiriert werden, um Streuverluste zu reduzieren. Und um die Conversions verbessern zu können, muss man sie vorher messen und darf dabei auch keine Fehler machen. Ein solcher Fehler wäre etwa der Verzicht auf eine Bereinigung der Conversions um die Retouren, die aus der Conversion Rate herausgerechnet werden müssen.
Während die beiden Kardinalfehler durch Fokussierung und Professionalisierung im Online-Marketing und in der Shopanalyse vergleichsweise leicht gelöst werden können, ist die dritte Ursache für geringe Conversions ein dickeres Brett. Wenn Fehler im Checkout und bei Landingpages die Ursache für geringe Conversions sind, dann liegt das häufig an einem geringen Verständnis der Shopbetreiber für die komplexe Customer Journey.
Dabei findet sich jedes E-Commerce-Unternehmen in einem Zwiespalt: Auf der einen Seite soll die Shopgestaltung Individualität und Alleinstellung des Angebots ausdrücken, auf der anderen Seite haben sich Shopnutzer an eine Vielzahl von Standards gewöhnt, die die Conversions erleichtern.
Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas bleibt dem Shopdesigner und -betreibern nichts anderes übrig, als Neugestaltungen der Shopseiten im Rahmen von A/B-Tests auf die Conversiontauglichkeit hin zu prüfen. Aber A/B-Tests sind sehr aufwändig und auch nicht immer eindeutig. Gibt es noch andere Wege, sich dem Nutzerverhalten im Rahmen der Conversion Optimierung zu nähern?
Diese gibt es tatsächlich und sie werden von psychologischen Verhaltensmodellen eröffnet, die allgemeingültige Verhaltensmuster beschreiben. Diese Verhaltensmuster der Shopnutzer erleichtern die Optimierung. Zwei dieser Verhaltensmodelle möchte ich nun vorstellen, da ich sie als extrem hilfreich für eine Verbesserung des Conversion-Verständnisses kennengelernt habe.
Das erste Modell stammt von André Morys, der mit der Frankfurter Agentur WebArts zu den führenden Conversion Experten im deutschsprachigen Raum zählt. Mit seinem 7-Stufen-Modell zur Conversion liefert er einen Zugang zu einem besseren Verständnis der verhaltenspsychologischen Grundlagen der Conversions. Das zweite Modell ist allgemeiner und stammt vom US-amerikanischem Entrepreneur Nir Eyal. Er hat in seinem Buch "Hooked – How to Build Habit-Forming Products" gezeigt, wie Trigger und Belohnungen genutzt werden können, um Routinen zu generieren, die die Kundenbindung an digitale Plattformen verstärken.
Beide Modelle ergänzen sich. Während das 7 Stufen Modell von Morys die Mikroebene der Conversion beschreibt, bettet Eyal die Conversion und das dazugehörige Verhalten in die Gestaltung von Geschäftsmodellen und Plattformen ein. Er beschreibt damit die Makroebene der Conversion. Es macht also Sinn, mit diesem Modell zu beginnen.
Das Modell von Eyal setzt bei Verhaltenstriggern an, die zu Handlungen führen. Trigger sind Reize, die extern oder intern entstehen und zu Handlungen führen. Externe Trigger finden sich etwa in der Werbung, während interne Trigger in Emotionen der Nutzer liegen. Typische Trigger sind häufig negative Emotionen wie Langeweile, Einsamkeit, Frustration oder Angst. Um diese Emotionen abzubauen, greifen immer mehr Menschen zum Smartphone und finden Unterhaltung, sozialen Kontext, Bestätigung oder Informationen. Somit werden sie für ihre Handlung, das Smartphone und geeignete Apps zu nutzen, belohnt.
Die Belohnung ist nach den Triggern und einer dadurch ausgelösten Handlung der nächste Schritt im Hooked-Modell. Wichtig dabei ist, dass die Belohnung variabel und nicht fixiert wird. Hintergrund ist die Funktionsweise des Belohnungssystems unseres Gehirns. Wir empfinden besondere Zufriedenheit, wenn wir Belohnungen suchen und finden können. In einem Onlineshop entsteht diese Zufriedenheit im Stöbern, Scrollen und Vergleichen bei der "Digitalen Schnäppchenjagd".
Wenn Online Nutzer aufgrund von Handlungen Belohnungen erhalten, bildet sich schließlich als letzter Schritt im Hooked-Modell die Motivation, in eine Plattform und eine langfristige Beziehung zu investieren. Diese Investition kann als Ergebnis der Belohnungsphase entstehen: Nutzer werden motiviert, als Gegenleistung zur erhaltenen Belohnung eine nächste Handlung mit Langfristwirkung auszuführen. Bei den Nutzern entsteht dabei die Erwartung, dass künftige Belohnungen noch höher ausfallen, wenn sie am Ausbau einer Plattform mitarbeiten. Insgesamt wird die Investition der Nutzer in die Plattform auch vom Reziprozitätseffekt gesteuert: wenn wir etwas ohne eine Gegenleistung erhalten, entsteht bei uns das Bedürfnis, dieses Ungleichgewicht wieder auszugleichen. Wir revanchieren uns also.
Die Investition in die Beziehung zu einem Onlineshop kann sehr wertvoll sein. Ein Nutzer, der zuvor belohnt wurde, kann sich zu einem Newsletter anmelden, ein Kundenkonto anlegen, an einem Kundenbindungsprogramm teilnehmen oder Bewertungen schreiben. Für die Conversion Optimierung im Onlineshop heißt das, interne Trigger der Nutzer aufzunehmen und ihnen Handlungsmöglichkeiten anzubieten. Vorbilder für diese Strategie sind Social Media Plattformen wie Twitter, Facebook oder Pinterest. Ein Newsfeed, Bildergalerien, die immer Neues liefern oder soziale Bestätigungen können Belohnungen sein, die die Nutzer an den Onlineshop binden helfen. Eine stärkere Bindung an den Onlineshop erhöht die Conversion Wahrscheinlichkeit erheblich. Das zeigt nicht zuletzt Amazon Prime als eines der erfolgreichsten Kundenbindungsprogramme. Schätzungen zur Conversion Rate bei Amazon Prime Kunden liegen bei astronomischen Werten jenseits von 50%.
Während das Hooked-Modell eine Grundlage für die Gestaltung von Kundenbindung liefert und damit einen strategischen Charakter hat, ist das zweite hier vorgestellte Modell ein operativer Zugang zu den Conversions. Das Modell der "7 Ebenen der Konversion" von André Morys basiert auf langjährigen Erfahrungen aus Nutzertest und Conversion Optimierung. Es baut auf etablierten Verhaltensmodellen zur Motivation auf, die von Handlungsphasen ausgehen. Daraus und aus seinen eigenen Erfahrungen hat Morys die sieben Ebenen der Konversion abgeleitet. Diese sind:
Relevanz
Vertrauen
Orientierung
Stimulanz
Komfort
Sicherheit
Bewertung.
Mit Hilfe dieser sieben Ebenen oder Faktoren, die die Entscheidung und das Verhalten von Onlineshoppern beeinflussen, lässt sich jeder Onlineshop mit der Zielsetzung zusätzlicher Conversions optimieren. Diese Optimierung beginnt mit der Relevanz.
Die Ebene der Relevanz lässt sich am Besten mit dem Qualitätsfaktor bei Google Adwords erklären. Dieser beschreibt eine Kongruenz zwischen Intention der Google Nutzer, der Aussage einer Adwords sowie dem Inhalt einer Landingpage. Dieses geniale Prinzip zur Sicherstellung relevanter Werbung lässt sich auch auf andere Online-Marketingkanäle übertragen. Also müssen Keywords, Meta-Descriptions und Landingpage-Inhalte im Shop zusammenpassen.
Die Ebene des Vertrauens beschreibt eine "conditio sine qua non" im E-Commerce. Onlineshopper haben gelernt, einen Shop nach Vertrauenssignalen zu durchsuchen. Fehlen diese, entsteht Misstrauen das zum sofortigen Abbruch führt.
Neben Vertrauen ist ausreichende Orientierung ein maßgeblicher Faktor. Je kleiner Bildschirme werden, umso klarer und einfacher müssen Klickpfade sein. Gibt es in der Usability Brüche und Lücken, kommt es auch bei fehlender Orientierung zum Abbruch.
Onlineshopper befinden sich häufig in einem komplexen Entscheidungsprozess. Immerhin müssen sie eine große Zahl von Onlineshops und eine noch größere Zahl von Angeboten miteinander vergleichen. Vor diesem Hintergrund wird schnell deutlich, dass der Shop auf der Ebene der Stimulanz durch verstärkende Botschaften unterstreichen muss, warum das eigene Angebot optimal ist.
Schließlich erwarten Onlineshopper auch Komfort, der Onlineeinkauf muss also möglichst einfach sein. Das Eintragen des Bundeslands in der Adresserfassung? Nicht lesbare Captchas bei Suchabfragen? Diese und andere "Konversionkiller" sollten im Zuge der Conversion-Optimierung selbst "gekillt" werden.
Im Jahr 2017 ist die Verschlüsselung von Websites und Onlineshops immer häufiger Standard, gehört also zur erwarteten Sicherheit des Einkaufs. Neben dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Onlinehändlers in Bezug auf Produkt- und Lieferqualität muss auch der Checkout und die Übertragung von Adress- und Zahldaten als sicher empfunden werden. Es darf nicht vergessen werden, dass Onlineshopper eine Vielzahl von großen oder sogar sehr großen Shops kennen, bei denen diese Faktoren schon lange umgesetzt sind.
Auch der Schluss des Konversionspfad kann im Sinne erfolgreicher Verkäufe abgeschlossen werden. Das ist vor allem dann wichtig, wenn die Retourenquote hoch ist. Eine aussagekräftige "Thank-you-Seite", die unmittelbar nach dem Klick auf den "Kaufen-Button" geladen wird und eine tadellose und eindeutige Kommunikation zur Abwicklung der Bestellung sind wichtige Instrumente der Ebene "Bewertung" im 7 Ebenen-Modell von André Morys.
Dieses Modell kann als Leitfaden für die laufende Conversion Optimierung herangezogen werden. Dabei gilt es in einem Workflow aus Ziel – Analyse – Optimierung immer wieder zu prüfen, ob Veränderungen im Nutzerverhalten und bei der genutzten Technologie auch eine Veränderung der Konversionspfade erfordert. Weiter geben die 7 Ebenen einen Rahmen für die Wettbewerbsbeobachtung vor. Große Onlineshops setzen Standards, an die sich Onlinenutzer gewöhnen. Diese Standards lassen sich mit Hilfe des 7-Ebenen-Modells erfassen, umsetzen und weiterentwickeln.
Das Hooked-Modell von Nir Eyal und das 7-Ebenen-Modell der Konversion von André Morys können als sich ergänzende Modelle zur operativen und strategischen Conversion Optimierung eingesetzt werden. Während "Hooked" ein Modell ist, das für die Bindung an eine Shopping-Plattform sorgen kann, liefern die 7 Ebenen prozessorientierte Hinweise für die operative Umsetzung einer Conversion. Beide Modelle dürften vor dem Hintergrund der "mobilen Revolution", die gerade im E-commerce für große Herausforderungen und sinkende Conversion Rates führt, sehr hilfreich sein.
Veröffentlicht am Apr 4, 2017 von Dominik Große Holtforth