Tree Testing

Tree Testing ist ein Verfahren zur Evaluation der Informationsarchitektur, mit dem in der Webentwicklung und im Online Marketing untersucht wird, wie gut sich Besucher auf einer Website zurechtfinden. Im Fokus steht die Auffindbarkeit von Content, der in die Struktur und Hierarchie der Website eingebunden ist. Ziel ist die Optimierung der User Experience, bei der die Informationsarchitektur eine wesentliche Rolle spielt.

Das Tree Testing hilft bereits während der Konzeptions- und Entwicklungsphase einer Website, einer App oder eines User Interface dabei, den Content sinnvoll zu strukturieren, zu benennen und zu organisieren. Das Testverfahren zeigt aber auch bei bereits bestehenden Websites auf, ob, wann und wo sich Besucher bei der Navigation verlieren oder irren und gibt somit wichtige Anhaltspunkte für die Optimierung.

Der Begriff Tree Testing (dt. Bäume testen) ist auf die typische Struktur von Websites zurückzuführen, die sich meist in Kategorien und Unterkategorien verzweigt, was visualisiert dargestellt der Verästelung von Bäumen ähnelt. Entsprechend wird auch vom Kategoriebaum gesprochen.


Vorgehensweise

Ein wesentliches Merkmal des Tree Testings ist, dass die Probanden bei ihrem Versuch nicht durch visuelle Einflüsse (Design) oder Navigationshilfen (Breadcrumbs, Suchfunktion, etc.) beeinflusst werden. Deshalb wird ihnen lediglich die rohe Menüstruktur präsentiert. Ihre Aufgabe ist es, anhand klar formulierter Szenarien auf der Website nach den entsprechenden Informationen oder Elementen zu suchen. Dafür hangeln sie sich durch die Menüstruktur und markieren letztlich die Seite, auf der sie die gesuchten Informationen vermuten. Ihr Navigationsverhalten wird festgehalten, um daraus in der Nachbetrachtung Schlüsse über die Logik der Informationsarchitektur ziehen zu können.

Für die Aussagekraft der Testergebnisse ist ein profundes Methoden-Briefing notwendig. So muss den Testpersonen beispielsweise klar sein, dass sie auf der Suche nach den passenden Informationen durchaus auch wieder zurückkehren und die Kategorien wechseln können. Von Vorteil ist es zudem, wenn in den Fragen eher Szenarien als konkrete Aufgaben entwickelt werden[1]. So können sich die Probanden besser in die Situation hineinversetzen. Zumal die Besucher auch in der Realität selten einen ausformulierten Suchauftrag vor Augen haben. Außerdem dürfen die Fragestellungen keine versteckten Hinweise wie das in der Navigation verwendete Wording enthalten.

Beispiel für ein gut formuliertes Szenario:

"Sie spielen mit dem Gedanken, auf dem Dach Ihres Hauses eine Photovoltaikanlage zu installieren und möchten wissen, wie hoch die aktuelle Einspeisevergütung für den selbstproduzierten Strom ist, den Sie nicht nutzen können und deshalb ins allgemeine Stromnetz einspeisen. Bitte suche Sie nach der Unterseite, die die Vergütungssätze thematisiert."

Für ein Tree Testing müssen mit der Menüstruktur und den Aufgaben zwei Komponenten vorbereitet werden. Da sich das Tree Testing auch sehr gut für Variantentests (A/B-Tests) eignet, können durchaus mehrere potenzielle Menüstrukturen vorbereitet werden. Variantentests sind insbesondere für die Anpassung von Menüs an mobile Anforderungen sinnvoll.

Um die Testergebnisse nicht zu verzerren, sollte das Tree Testing pro Proband maximal 15 Minuten dauern bzw. ihm sollten maximal zehn Aufgaben gestellt werden. Ist ein Test umfangreicher, besteht die Gefahr, dass Müdigkeit, Monotonie oder Langeweile zu einem Leistungsabfall führen und die Testergebnisse negativ beeinflussen. Ein Probandenpool von ca. 50 Personen ermöglicht aufschlussreiche Ergebnisse. Prinzipiell gilt: Je mehr Probanden, desto besser.


Auswertung

Beim Tree Testing gibt es keine klaren Benchmarks. Vielmehr müssen die Ergebnisse unter Berücksichtigung der Komplexität und Tiefe der Menüstruktur für jede Website oder App, für jedes Intranet oder User Interface individuell bewertet werden.

Eine wichtige Kennzahl ist natürlich die Erfolgsrate. Dafür werden beim Tree Testing drei Erfolgsarten unterschieden:

  • Direkter Erfolg: Der Proband findet direkt und ohne Umwege die korrekte Zielseite.
  • Indirekter Erfolg: Der Proband findet zwar die korrekte Zielseite, allerdings nicht auf direktem Wege (geht in der Navigation zum Beispiel zurück).
  • Kein Erfolg: Der Proband markiert die falsche Zielseite.

Ein aufschlussreicher Wert sind außerdem die First Klicks. Sie geben Aufschluss darüber, wie trennscharf die Hauptkategorien voneinander abgegrenzt sind. Sind zwei Werte ähnlich hoch, kann das beispielsweise ein Zeichen dafür sein, dass das Wording der Kategorien nicht eindeutig genug ist.

Außerdem lohnt ein Blick auf die sogenannten Knotenpunkte in der Navigation. Wie auf einer Kreuzung muss die Ausschilderung hier eindeutig sein, damit die Besucher die gewünschten Informationen oder Elemente direkt und zügig finden. Verteilen sich die Probanden trotz gleicher Aufgabenstellung hingegen stark auf abzweigende Straßen, statt den gleichen Weg zu wählen, ist das ein unzweifelhaftes Indiz für Optimierungspotenzial.


Tools für Tree Testing

Obwohl für das Tree Testing theoretisch keine besonderen Hilfsmittel notwendig sind und die Methode prinzipiell auch auf Papier ausgeführt werden könnte, bietet sich entsprechende Software an, die das Testing deutlich vereinfacht. Denn einerseits muss gewährleistet sein, dass die Probanden nicht bereits die gesamte Hierarchie der Navigation sehen, sondern maximal bis zu der Stufe, auf der sie sich gerade befinden. Andererseits wird die Evaluation umso aussagekräftiger, je mehr Testpersonen teilnehmen, was vor allem die Auswertung aufwendig macht, während Tools die Analyse automatisiert übernehmen und die Analyse-Ergebnisse zudem häufig grafisch ansprechend aufbereiten.

Bekannte Onlinetools für die Durchführung von Tree Testing sind zum Beispiel UserZoom und Treejack. Vor allem Treejack bietet eine visuell sehr hilfreiche Aufbereitung der Testergebnisse. So visualisiert der Pietree die Interaktion der Probanden mit der Navigation. Daraus lässt sich gut erkennen, wo genau Optimierungsbedarf herrscht.


Bedeutung für die Suchmaschinenoptimierung

Die Usability, die ein Bestandteil der weitreichenderen User Experience ist, gehört zu den unzweifelhaften Rankingfaktoren in der Suchmaschinenoptimierung. Wie gut sich Besucher auf einer Website orientieren können und wie benutzerfreundlich die Navigation gestaltet ist, ist ein zentrales Kriterium für die User Experience. Das gilt insbesondere auch für Smartphones, wo eine einfache, intuitive und verständliche Navigation aufgrund des begrenzten Darstellungsraums umso wichtiger ist. Und wie wichtig Google wiederum Mobile Friendliness ist, hat die Suchmaschine mit dem Mobile First Index deutlich gemacht.

Eine Website mit logischer Informationsarchitektur führt somit indirekt zu einem besseren Ranking, weil sie positive User Signals aussendet. So kann durch eine mit Tree Testing optimierte Navigation zum Beispiel die Bounce Rate reduziert und die Verweildauer erhöht werden. Websites, auf denen sich Besucher zurechtfinden, verzeichnen deutlich mehr wiederkehrende Besucher, als Websites mit einer chaotischen Menüstruktur.

Letztlich zahlt sich eine benutzerfreundliche Menüführung natürlich auch in Form von quantitativ und qualitativ besseres Leads und Sales aus. Deshalb kann ein gewissenhaft und ordentlich durchgeführtes Tree Testing, aus dem die richtigen Schlüsse gezogen werden und diese auch tatsächlich zum Anlass für die Durchführung von Optimierungsmaßnahmen genommen werden, beispielsweise bei Onlineshops, die zum Teil für ihre komplexe Menüstruktur berüchtigt sind, zu teilweise beachtlichen Umsatzsteigerungen führen.


Einzelnachweise

  1. So optimiert ihr Websites mit Tree-Testing internetworld.de. abgerufen am 21.08.2019


Weblinks

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